Die mittelständische Wirtschaft im Rhein-Neckar-Raum

Gastbeitrag von Dr. Axel Nitschke,
Hauptgeschäftsführer der IHK Rhein-Neckar.

Die Metropolregion Rhein-Neckar ist wirtschaftlich eine der stärksten Regionen Deutschlands. Nicht so groß wie München, Frankfurt oder Hamburg, aber beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf genau in dieser Liga unterwegs. Und mit einer Exportquote von über 60 Prozent ist sie international stark aufgestellt. Dabei spielt die verkehrsgünstige Lage im Südwesten Deutschlands genauso eine wichtige Rolle wie die weltweiten Kontakte über den Frankfurter Großflughafen, der in 30 Minuten Fahrtzeit mit der Bahn zu erreichen ist.

Wie ist die Lage?

Die wirtschaftliche Stärke resultiert aus den wettbewerbsfähigen Unternehmen, die in Mannheim, Heidelberg, der Pfalz, dem Rhein-Neckar-, dem Neckar-Odenwald- und den angrenzenden südhessischen Kreisen zu Hause sind. Beeindruckend ist die Wirtschaftsstruktur: Weltweit tätige Großkonzerne zählen zu unseren Mitgliedsfirmen ebenso wie traditionsreiche Familienunternehmen und junge Start-ups. Der Mittelstand ist hier wichtig. Die Region verfügt über eine industrielle Basis, die breit diversifiziert ist. Viele familiengeführte Hidden Champions haben sich großartig entwickelt. Insbesondere Mannheim ist ein Handelsstandort mit weit überregionaler Ausstrahlung, die zentrale Einkaufsstraße gehört zu den zehn deutschen Top-Adressen. Das Schloss in Heidelberg ist deutschlandweit das touristische Ziel Nummer 1 mit den meisten internationalen Besuchern, mit positiven Auswirkungen auf die touristischen Betriebe der Region. Rund um die weltweit herausragend bewerteten Universitäten Heidelberg (life sciences) und Mannheim (Wirtschaft) gruppieren sich Ausgründungen. Die IT ist durch das Headquarter der SAP, dem gemessen an der Marktkapitalisierung am höchsten bewerteten deutschen Unternehmen, in der Region exzellent vertreten. Die Wirtschaft der Region bietet zahlreichen Menschen eine gute und sichere Beschäftigung und trägt damit zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Teilhabe bei.

Seit dem vergangenen Jahr leiden auch hier weite Teile der Wirtschaft unter der Corona-Krise. Wie unsere Umfragen zeigen, ist die Stimmung gedrückt: Vor allem im Einzelhandel, bei den personenbezogenen Dienstleistern und im Hotel- und Gaststättengewerbe hat sich die Situation im Laufe der vergangenen Monate aufgrund des erneuten Lockdowns deutlich verschlechtert.

Die Industrie ist in der Region auch während der Corona-Krise ein wichtiger Taktgeber. Hier zeichnet sich nach teils erheblichen wirtschaftlichen Einbrüchen im vergangenen Jahr aktuell wieder ein positiverer Trend ab. Das liegt unter anderem daran, dass die Industrieunternehmen in der Region stark global ausgerichtet sind. Neben den Großunternehmen wie zum Beispiel der BASF sind gerade die Mittelständler im Verarbeitenden Gewerbe international aufgestellt und weltweit vernetzt.

Was sind die größten Herausforderungen?

An erster Stelle steht aktuell die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Dabei gilt es, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die Sicherung unserer wirtschaftlichen Basis auf einen Nenner zu bringen. Zahlreiche Unternehmen im Handel und insgesamt im Dienstleistungsbereich kämpfen um ihre Existenz. Teilweise hadern sie mit der Politik, weil sie angesichts ihrer eigenen Investitionen in Hygienekonzepte zum Schutz ihrer Kunden und Mitarbeiter die Schließungen ihrer Geschäfte als unverhältnismäßig und ungerecht erleben. Wie wir wirtschaftlich durch die Pandemie kommen, bestimmt den finanziellen Spielraum der Politik in diesem Jahrzehnt.

Neben den genannten Weltkonzernen prägen vor allem kleine und mittlere Betriebe die Region. Damit die über 150.000 ansässigen Unternehmen und Selbständigen, die hier als IHK-Mitglied geführt werden, langfristig wettbewerbsfähig bleiben, gilt es die digitale und die ökologische Transformation aktiv zu gestalten. Dabei unterstützt die IHK mit Rat und vielen Informationen.

So etabliert sich derzeit Rhein-Neckar als eine der Wasserstoff-Modellregionen und übernimmt somit eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Nutzung der Wasserstoffwirtschaft. Über 100 Millionen Euro werden hier in Wasserstoff-Technologien investiert, unter anderem in 40 Wasserstoff-Busse für den öffentlichen Nahverkehr in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen. Es bildet sich in der Region und darüber hinaus ein Wasserstoff-Netzwerk zahlreicher mittelständischer Firmen, die auch an internationaler Zusammenarbeit interessiert sind.

Die Metropolregion Rhein-Neckar ist zudem eine digitale Modellregion in Deutschland. Das ist gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen von großer Bedeutung. Im engen Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand wird die digitale Transformation in Bildung, Energie, Gesundheit, Mobilität und Verwaltung stark vorangetrieben. Aufbauend auf verschiedenen regionalen Aktivitäten und Initiativen der Wirtschaft (Netzwerk Smart Production), der Kommunen (Smart County Rhein-Neckar, Lernfabrik 4.0), der Zivilgesellschaft (Open Data Rhein-Neckar) sowie auf Basis verschiedener eigener konzeptioneller Vorarbeiten und Projekte (z. B. das Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen“) konnte sich Rhein-Neckar in den vergangenen Jahren im nationalen bzw. europäischen Maßstab zu einem führenden Innovations- und Erprobungsraum für die Digitalisierung und intelligente Vernetzung öffentlicher Infrastrukturen entwickeln.

Auf diesen Erfolgen dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen. Deutschland ist bei der Digitalisierung nicht an der Spitze und muss daher verstärkte Anstrengungen für die digitale Wettbewerbsfähigkeit aufbringen. Dafür sind flächendeckend digitale Glasfaser- und Mobilfunknetze genauso erforderlich wie eine moderne öffentliche Verwaltung und die frühzeitige Ausbildung digitaler Kompetenzen der Menschen.

Damit die hiesige Wirtschaft weiterhin so stark von ihrer internationalen Vernetzung profitiert, kommt es darauf an, dass die internationalen Märkte offenbleiben. Multilateralismus ist gerade für den Mittelstand wichtig, damit er möglichst überall auf der Welt den gleichen Spielregeln für Handel und Investitionen begegnet. Faire und gleiche Bedingungen, also ein internationales Level Playing Field, erleichtern Schritte aus der Krise – und nicht der Protektionismus. Als eine stark international ausgerichtete IHK wissen wir uns in dieser Beurteilung auch mit der AHK Norwegen einig.  Unsere IHK Rhein-Neckar setzt sich stark für den Erfolg ihrer Mitgliedsunternehmen ein. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft treten wir ein für „IHK statt Staat“, für Deregulierung mit Sachverstand. Als Selbstorganisation der Wirtschaft übernehmen wir die effiziente Durchführung staatlicher Aufgaben sowie die kompetente Vertretung der Wirtschaft gegenüber Staat und Gesellschaft und bieten den Unternehmen wirtschaftsorientierte Dienstleistungen (www.rhein-neckar.ihk24.de)