Steuerhammer oder Gerechtigkeit? Neue Steuerpläne der norwegischen Regierung geben zu reden

Norwegen diskutiert über teils starke Steuererhöhungen für die Fischzucht und erneuerbare Energien. Was Sie dazu wissen müssen.

Für die betreffenden Sektoren kam die Nachricht wie ein Schock: Vergangene Woche hat die norwegische Regierung angekündigt, Betreiber von größeren Windkraftanlagen und Fischfarmen im Meer um 40 Prozent höher besteuern zu wollen. Höhere Abgaben sollen zudem im Bereich Wasserkraft und generell im Stromsektor fällig werden.

Die Ankündigung, die kurz vor der Pressekonferenz der Regierung zu den Medien durchgesickert war, schlug umgehend an der Börse ein: Die Aktien von Norwegens großen Fischzüchtern erlitten Einbrüche zwischen 15 bis 25 Prozent und verharren auch eine Woche später noch größtenteils in der Tiefe. Fest steht allerdings: Es ist noch nichts entschieden. Erst muss das norwegische Parlament über den Vorschlag der Regierung, die Steuern anzuheben, befinden. Die Aufregung aber hält an – der Energiesektor fürchtet sich um seine Jahresgewinne, die Fischzüchter um ihr Geschäft. Doch worum geht es?  

Was die Regierung vorsieht

Bei diesem Vorschlag geht es der Regierung laut einer Erklärung von Premierminister Jonas Gahr Støre generell darum, Erträge, die durch natürliche Ressourcen erwirtschaftet wurden (höher) zu besteuern. Eine Art Ressorucensteuer also. Norwegen kennt bereits solche Steuern; die Regierung will sie jetzt in zwei Bereichen ausweiten: In den Bereichen Fischzucht und nachhaltige Energiegewinnung.

So sollen Betriebe, die Lachs, Forellen oder Regenbogenforellen im Meer züchten, eine zusätzliche Grundzinssteuer von 40 Prozent entrichten. Betroffen sind aber nur größere Betriebe ab einer Jahresproduktion von 4000-5000 Tonnen Fisch. 50 Prozent der Mehreinnahmen durch diese Steuer sollen den Küstengemeinden, vornehmlich jenen mit ansässiger Fischzucht, zugutekommen. Die andere Hälfte geht an den Staat.

Ähnlich soll es im Energiesektor laufen. Dort hat die Regierung verschiedene neue Steuern und Abgaben vorgestellt: Die Grundzinssteuer für Wasserkraft soll von 37 auf 45 Prozent steigen. Nicht betroffen davon sind Kleinwasserkraftwerke, die von der Grundzinssteuer befreit sind. Weiter will die Regierung das Gewinnen von Onshore-Windenergie mit 40 Prozent besteuern. Auch hier soll sich die Steuer an die „Großen“ richten: Nur nach norwegischem Energierecht lizenzierte Windparks, das heißt mit fünf oder mehr Turbinen, oder einer installierten Leistung von einem Megawatt (MW) oder mehr, sind betroffen. Zusätzlich schlägt die Regierung eine Hochpreis-Abgabe im Strommarkt vor: Bei Strompreisen von 0,7 NOK (70 Öre) oder mehr pro Kilowattstunde (kWh), soll bei allen Produzenten eine Abgabe von 23 Prozent anfallen. Auch hier sollen nur die Betreiber größerer Anlagen zur Kasse gebeten werden: Wasserkraftwerke mit einer installierten Leistung von einem Megawatt oder mehr, bzw. Windkraftanlagen, die wie oben erwähnt nach Energierecht lizenziert sind.

Insgesamt will die norwegische Regierung mit diesen Maßnahmen in der Fischzucht und im Energiesektor Steuer-Mehreinnahmen von 33 Mrd. Kronen (3,3 Mrd. Euro) generieren. Bestrebungen seitens der Regierung, höhere Steuern insbesondere für die Fischzucht einzuführen, gab es bereits 2018 und 2019. Sie scheiterten damals aber am breiten Widerstand der politischen Parteien und der Industrie.

Das sagen die Befürworter

Die Befürworter der neuen Steuern, insbesondere die Regierung, argumentieren damit, dass die Allgemeinheit mehr von Einnahmen, die durch natürliche Ressourcen und auf öffentlichem Boden generiert werden, profitieren soll. Das Meer und die Fjorde, in denen Firmen mit Fischzucht gutes Geld verdienen, gehören schließlich allen, so die Begründung. Dasselbe gilt für Wasser in den Bergen, das die Generatoren der Kraftwerke antreibt oder Wind, der Turbinen dreht: Speziell in den Zeiten von hohen Energiepreisen soll die Allgemeinheit profitieren. In den vergangenen Jahren habe es viel Ungleichheit gegeben in der Verteilung natürlicher Ressourcen – jetzt sollen diese „gerechter“ verteilt werden, erklärte Premierminister Gahr Støre.

Der norwegische Gewerkschaftsverband YS begrüßt die Pläne der Regierung. Die Rentabilität sei gerade in der Fischindustrie in den vergangenen zehn Jahren drei bis vier Mal höher gewesen als in der allgemeinen Industrie. Zudem betreffe die Steuer nur die großen Unternehmen, die jedes Jahr „Supergewinne“ einfahren. Somit seien die Steuern auch nicht wirtschaftsschädigend.

Auch die Energieproduzenten könnten die geplanten Steuererhöhungen verkraften, sagt Ole André Myhrvold, energiepolitischer Sprecher der norwegischen Zentrumspartei, welche die neuen Steuern begrüßt. Er sagt: „Kein Stromerzeuger in Norwegen zieht einen Strompreis von über 70 Öre pro Kilowattstunde in Betracht, wenn er neue Infrastruktur errichtet oder eine bestehende Produktion aufrüstet und erweitert.“ Zudem seien höhere Steuern besonders in der norwegischen Windkraftindustrie nötig: „Denn diese ist größtenteils im Besitz ausländischer Akteure, welche damit einen Beitrag an die lokalen Gemeinschaften und Gemeinden leisten müssen. Das ist gut für die soziale Entwicklung in Norwegen.“

Das sagen die Gegner

An vorderster Front wehren sich Vertreter der betroffenen Industrien gegen die Steuerpläne der Regierung. Besonders emotional fallen die Rückmeldungen aus der Fischindustrie aus – dem zweitwichtigsten Exportzweig im Land nach dem Öl- und Gassektor. Diese Pläne seien ein Angriff auf die Industrie an den Küsten, lautet der Tenor. Mit der Steigerung von 40 Prozent bezahlen die betroffenen Zuchtunternehmen jetzt 62 Prozent Steuern. Das spiele vor allem der ausländischen Konkurrenz in die Hände, die zu besseren Bedingungen produzieren könne. „Dieser Entscheid gefährdet tausende Arbeitsplätze an der norwegischen Küste und stiftet wirtschaftliche Unsicherheit“, lässt sich einer der Züchter zitieren. Andere sprechen von einer mutwilligen Zerstörung des gesamten Sektors. Die Regierung erreiche mit solchen Maßnahmen genau das Gegenteil ihrer Ziele: Die hohen Steuern zwingen die Zuchtunternehmen, ihre Investitionen in Nachhaltigkeit, Umwelt und in die Gesellschaft – vornehmlich an ihren Standorten an der Küste – zu kürzen.  

Ähnlich argumentieren die Vertreter der Energiewirtschaft: Oft seien Gemeinden oder Städte im Besitz der von neuen Steuern betroffen Kraftwerke oder hielten zumindest Anteile daran. Nun verlören die Gemeinden, die von den Steuern eigentlich profitieren sollten, vor allem Einnahmen. Knut Kroepelien, CEO des Stromerzeugers Energi Norge warnt: „Die Steuermaßnahmen der Regierung könnten dazu führen, dass sich die aktuelle Energiekrise verschärft und verlängert.“ Er hält es für falsch, dass Energiekonzerne dem Staat mehr Geld abgeben sollen – stattdessen sollte dieses besser in erneuerbare Energien investiert werden. 

Auch der größte Arbeitgeberverband Norwegens, NHO, kritisiert die neuen Steuerpläne. Diese würden in erster Linie dazu führen, dass der Bereich erneuerbare Energien an Attraktivität für Investoren einbüße. Die Maßnahmen kämen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und seien damit ungünstig. Zudem sende Norwegen mit solch „übereilten Steuerreformen“ ein branchenübergreifendes Signal der Unsicherheit an Investoren in das Land.

So geht es jetzt weiter

Die Steuerpläne der norwegischen Regierung sind noch nicht beschlossene Sache – das Parlament wird sie in den kommenden Tagen und Wochen als Teil des Staatsbudgets 2023 diskutieren. Bei einer Annahme sollen die meisten vorgeschlagenen Steueränderungen ab 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es ist derzeit aber offen ob, und falls ja in welcher Form, die Steuerpläne angenommen werden. Die Regierung hat die geplante Grundzinssteuer für die Fischzüchter zudem in die Vernehmlassung geschickt – diese dauert bis am 4. Januar 2023.   


Quellen:

Businessportal Norwegen:
https://businessportal-norwegen.com/2022/09/28/norwegen-will-gewinne-aus-natuerlichen-ressourcen-besser-verteilen/

E24
https://e24.no/boers-og-finans/i/zErWOK/boersverdier-raser-etter-skatteforslag-fire-storeiere-med-papirtap-paa-12-mrd

Fischmagazin:
https://www.fischmagazin.de/willkommen-seriennummer-104762.htm

NHO:
https://www.nho.no/tema/skatter-og-avgifter/artikler/skattepakke-for-naturressurser/

NRK:
https://www.nrk.no/nordland/grunnrenteskatten_-_-setter-tusenvis-av-arbeidsplasser-i-fare-1.16119594

https://www.nrk.no/nordland/okt-skatt-pa-vann–og-vindkraft_-mener-skattegrep-kan-forverre-kraftkrisa-1.16119796

https://www.nrk.no/nordland/senterpartiet-var-krystallklare_-nei-til-grunnrenteskatten-_-na-innforer-de-den-selv-1.16121101

Reuters:
https://www.reuters.com/article/us-norway-tax-fishfarming-idUSKBN1I10GI

VG:
https://www.vg.no/nyheter/innenriks/i/765Ee9/stoere-og-vedum-skal-hente-inn-33-milliarder-kroner-fra-vind-laks-og-vannkraft

YS:
https://ys.no/nyheter/verdiskaping-og-baerekraft/ys-stotter-nye-forslag-om-okt-skatt/