Wirtschaftsstandort Norwegen: Sichere Entwicklung bei unsicherer politischer und wirtschaftlicher Stabilität

Bild: AHK Norwegen

Im Frühjahr dieses Jahres führte die AHK Norwegen ihre jährliche Konjunkturumfrage unter Unternehmen der deutsch-norwegischen Geschäftswelt durch. Im Vergleich zum Vorjahr bewerten die Unternehmen ihre aktuelle Lage ähnlich positiv, sehen die Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten jedoch deutlich kritischer als im Vergleichszeitraum. Vor allem die politische und wirtschaftliche Stabilität wird in Norwegen als geringer empfunden und lässt das Land in seiner Attraktivität als Wirtschaftsstandort verlieren.

Die Unternehmen bewerten ihre aktuelle Wirtschaftslage, die erwartete Geschäftsentwicklung sowie die erwarteten lokalen Investitionen in den nächsten zwölf Monaten nach wie vor positiv. 56 Prozent der befragten Unternehmen schätzen ihre eigene Geschäftslage als „gut“ ein. 2022 waren es 55 Prozent. Damit scheinen die Folgen des Coronajahr 2020, in dem nur 25 Prozent ihre Situation gut einschätzten, endgültig überwunden zu sein. Sieben Prozent halten ihre Situation für „schlecht“, ein leichter Anstieg, verglichen mit fünf Prozent im Vorjahr. 45 Prozent der Unternehmen erwarten eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung in den nächsten 12 Monaten; 32 Prozent rechnen mit steigenden Investitionen.

Weltweit stabile geschäftliche Lage 

Die Konjunkturumfrage der AHK Norwegen ist Teil der globalen Umfrage „AHK World Business Outlook“,  der Deutschen Industrie- und Handelskammer  (DIHK). Unter den  5.100 teilnehmenden Unternehmen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Weltweit bewerten rund 49 Prozent der Unternehmen ihre geschäftliche Lage als gut, 35 Prozent planen mit höheren Investitionen vor Ort. Dabei sind die Investitionsabsichten in Nordamerika doppelt so hoch wie im langjährigen globalen Schnitt. Neben vorteilhaften Standortfaktoren wie günstigeren Energiepreisen und der Größe eines einheitlichen Marktes zieht auch der von der US-Regierung aufgesetzte Inflation Reduction Act (IRA) zusätzliche Investitionen an.  

Der Fachkräftemangel entwickelt sich allerdings weltweit immer mehr zum Flaschenhals. 40 Prozent der Unternehmen machen sich Sorgen darüber, dass sie an ihren Standorten nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte bekommen – so viele wie noch nie in der Umfrage.  

Wirtschaftsstandort Norwegen verliert an Attraktivität 

Norwegen hat unter den teilnehmenden Unternehmen in den letzten 12 Monaten als Wirtschaftsstandort an Attraktivität verloren: Nur 24 Prozent der Unternehmen geben an, dass Norwegen seine Attraktivität in den letzten drei Jahren verbessert hat, für 33 Prozent hat sich die Attraktivität des Landes verschlechtert. In 2022 hatten nur 7 Prozent der befragten Unternehmen eine derart schlechte Meinung zum Wirtschaftsstandort.  

Unsicherheit bei politischer und wirtschaftlicher Stabilität 

Die größten Unsicherheiten, die aus der Umfrage hervorgehen, beziehen sich auf die politische und wirtschaftliche Stabilität, diese gaben 57 Prozent der Unternehmen als Risikofaktor an. Dies steht im klaren Zusammenhang mit der rückwirkenden Einführung der Grundzinssteuer in der Fischerei und Fischaufzucht sowie im Bereich der erneuerbaren Energien. Darüber hinaus bewerten deutlich mehr Unternehmen die Handelsbarrieren als Risikofaktor, dies geben 40 Prozent an (14 Prozent in 2022). 

„Norwegen hat sich im Rahmen der Energiekrise zum einen als verlässlicher Partner für Deutschland erwiesen. Das Land ist der größte Energielieferant für Deutschland. Dies wirkt sich auf die gesamte Wirtschaft positiv aus,“ resümiert Michael Kern, Geschäftsführer der AHK Norwegen. „Dem gegenüber steht allerdings die Verunsicherung der Unternehmen durch die neue Grundzinssteuer. Dadurch entstehen nicht einkalkulierte Kosten und, dass diese rückwirkend eingeführt wurde, irritiert auch andere Branchen.“ 

Sorge um Rohstoffe und Energie schwindet

Auf die Energiekrise sowie Engpässe bei den Rohstoffen scheinen sich die Unternehmen dagegen eingestellt zu haben: 60 Prozent der Unternehmen nahmen die Energie- und Rohstoffpreise in 2022 als Risiko wahr (gemeinsam abgefragt). In 2023 bewerten nur noch 28 Prozent die Energiepreise und 32 Prozent die Rohstoffpreise als Risikofaktor. 

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften wird in Norwegen zwar weniger stark wahrgenommen als in 2022 (54 Prozent), aber es sehen immer noch 44 Prozent der Unternehmen in Norwegen diesen in den kommenden 12 Monaten als Risiko an, was leicht über dem weltweiten Ergebnis liegt. 

Die vollständigen Ergebnisse der Konjunkturumfrage finden Sie hier