Anfang November 2021 waren der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender zu Besuch in Norwegen. Im Zentrum des Programms der First Lady stand das Thema Frauen in Führungspositionen. Die AHK Norwegen hatte die Ehre, sie zu einer Diskussionsrunde mit norwegischen Frauen in Führungspositionen begrüßen zu dürfen. Die Keynote hielt Gry Haugsbakken, Staatssekretärin im norwegischen Kulturministerium, über das Nordische Modell, ein Sammelbegriff für die Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik in Norwegen und den anderen nordischen Ländern, das positive Auswirkungen auf die Frau im Erwerbsleben hat.
Norwegen als Vorbild in der Gleichstellung
Norwegen gilt unter anderem durch eine seit Jahren etablierte Frauenquote in Aufsichtsräten heute als Vorbild in der Gleichstellung. Bereits 2003 führte das Land eine 40-Prozent-Quote für die Geschlechterverteilung in den Vorständen börsennotierter sowie öffentlicher Unternehmen ein und war damit weltweit Vorreiter. Das Gesetz trat 2004 für öffentliche Unternehmen und 2006 für privat geführte Aktiengesellschaften (ASA) in Kraft. Darüber hinaus regelt eine Väterquote in der Elternzeit die Care-Arbeit. Die Elternzeit wird mit jeweils 15 Wochen zu gleichen Teilen auf Vater und Mutter verteilt, weitere 16 Wochen können untereinander aufgeteilt werden.
Laut Weltbank waren 2019 mehr als 60 Prozent der Frauen und mehr als 67 Prozent der Männer über 15 Jahre in Norwegen erwerbstätig. Der Anteil an Frauen in Führungspositionen betrug 41 Prozent. Das sind Werte, von denen Deutschland mit 55 Prozent der Frauen in Erwerbsbeteiligungsrate und 67 Prozent der Männer sowie nur 23 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen weit entfernt ist.
Gute Rahmenbedingungen unterstützen
Für die norwegischen Teilnehmerinnen war es überraschend zu erfahren, wie wenig die Gleichstellung im deutschen Erwerbsleben fortgeschritten ist und wie groß die Unterschiede trotz der geographischen und kulturellen Nähe sind. Neben der Frauenquote in Aufsichtsräten und der Väterquote in der Elternzeit waren es aber auch die unterstützenden Rahmenbedingungen in der Bildungspolitik und der Gesellschaft, die die Frauen hervorhoben. „Für viele von uns waren die guten und sicheren Bedingungen wichtig für die Entwicklung. Sie haben dazu geführt, dass wir in der norwegischen Wirtschaft Führungspositionen und Top-Management-Positionen einnehmen konnten“, so Tone Lunde Bakker, geschäftsführende Direktorin bei Eksfin und Teilnehmerin der Diskussionsrunde. „Dazu zählen zum Beispiel Eltern, die bei der Kinderbetreuung helfen, verlässliche Männer, die uns dabei unterstützt haben, Karriere zu machen oder gute Kindertagesstätten, die sich um das Wohl unserer Kinder kümmern. Diese Bedingungen, so hatte ich den Eindruck, sind in Deutschland nicht in gleicher Weise gegeben.“
Dennoch läuft auch in Norwegen nicht alles rund: Trotz Frauenquote in Aufsichtsräten und einem hohen Frauenanteil am Erwerbsleben ist die Geschlechterverteilung im Top-Management verbesserungswürdig. Studien aus 2017 zeigen, dass Vorstände, auch mit ausgewogener Geschlechterverteilung, wenig Einfluss auf den Frauenanteil im Top-Management haben. Während in vier von fünf öffentlichen Unternehmen mindestens zwei Frauen im Top-Management vertreten waren, traf dies nur auf jede vierte Aktiengesellschaft zu – obwohl für beide die Frauenquote in Vorständen gilt.
Gleichzeitig gibt es nach wie vor ein gravierendes Lohngefälle. Dies liegt laut SSB, dem norwegischen Statistikamt vor allem am niedrigeren Lohnniveau bei Teilzeitstellen, die auch in Norwegen unter Frauen weitaus häufiger sind. Im Jahr 2020 lag der Anteil der Teilzeitbeschäftigten bei Frauen bei 46 Prozent und bei Männern bei 23,8 Prozent. Das SSB hat im März 2021 umfassende Zahlen in einem Bericht über den Stand der Gleichstellung der Geschlechter (auf Norwegisch) veröffentlicht. Aktuelle Zahlen zu Frauen in Führungspositionen auf Englisch finden Sie unter Punkt 5.5: Ensure women’s full participation in leadership and decision-making