„Um in Deutschland erfolgreich zu sein, muss man ein Spezialist sein“

Innerhalb von fünf Jahren hat der norwegische Technologiekonzern Data Respons in Deutschland fünf Unternehmen aufgekauft. Diese erwirtschafteten im ersten Quartal 2021 34 Prozent des Umsatzes. Wir haben mit dem CEO Kenneth Ragnvaldsen über Investitionen im deutschen Markt, Unterschiede in der Geschäftskultur und die wichtigsten Erkenntnissebeim Markteintritt in Deutschland gesprochen.  

Data Respons hat frühzeitig auf den deutschen Markt gesetzt. Warum und wie ist man dabei vorgegangen?

Wir haben vor über 30 Jahren in Norwegen mit globalen Technologie- und IoT-Lösungen begonnen, die sich unter anderem in Autos, Schiffen und Flugzeugen befinden. Nachdem wir in Norwegen gewachsen sind, war die Expansion in andere skandinavische Länder wie Schweden ein natürlicher Schritt. Danach haben wir uns auf Deutschland konzentriert, weil es ein großer und spannender Industriemarkt ist. Wir verfolgen das Ziel, in unserer Branche führend in Europa zu werden. Wenn man in den skandinavischen Ländern und Deutschland präsent ist, kann man einen wesentlichen Teil des europäischen Industriemarktes decken. Ich denke, dass es klug war, unsere Geschäftsaktivitäten zunächst nach Schweden auszudehnen, weil es angesichts der industriellen Struktur mit Deutschland vergleichbar ist.

Können Sie mehr über die Projekte in Deutschland erzählen?

Wir digitalisieren Arbeitsprozesse, Produkte und Lösungen für viele deutsche Großunternehmen wie Daimler und Audi. Hier haben wir unter anderem Carsharing-Anwendungen, drahtlose Infotainment-Lösungen und Technologie zum Flottenmanagement entwickelt. Darüber hinaus arbeiten wir an einer Online-Plattform für den Handel mit erneuerbaren Energien. Ab 3 000 MWh kann jeder über diese Plattform seinen eigenen erneuerbaren Strom aus Solar, Wind, Wasser oder Biogas verkaufen.

Wie erleben Sie die deutsche Geschäftskultur?

Es gibt zwischen Deutschland und Norwegen kulturelle und geschäftliche Unterschiede, aber wir ergänzen einander gut. Norweger sind von Natur aus innovativ, etwas spontaner und hinterfragen die Entscheidungen von Vorgesetzten. Deutsche hingegen sind sehr ordnungsbewusst und etwas hierarchischer. Wenn in Deutschland eine Entscheidung getroffen wird, dann wird diese auch sehr schnell und effizient umgesetzt. Kombiniert man die besten Eigenschaften beider Nationalitäten, erhält man ein ausgezeichnetes Ergebnis.

Als wir uns in Deutschland etabliert haben, haben wir schnell gemerkt, dass Deutsche und Norweger gut miteinander harmonieren. Zwischen den skandinavischen Ländern und Deutschland gab es schon immer eine gute Chemie ohne große Vermittlungsprozesse – wie es vielleicht sonst zwischen großen Ländern der Fall ist. Diesen Aspekt sollte man auch bei der Erschließung internationaler Märkte berücksichtigen.  

Haben Sie konkrete Tipps für andere Unternehmen mit Interesse am deutschen Markt?

Eine der wichtigsten Lektionen, die wir gelernt haben, ist, dass man in Norwegen eher Generalist sein kann als in Deutschland. Auf dem deutschen Markt muss man einen klaren Fokus setzen – sonst wird der Markt einfach zu groß. Um in Deutschland erfolgreich zu sein, muss man sich für spezifische Bereiche entscheiden, in denen man wettbewerbsfähig sein will.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, die Identität im Internationalisierungsprozess nicht zu verlieren. Es muss nicht alles geändert werden, damit der Eintritt in einen anderen Markt gelingt. Es geht vielmehr darum, das Geschäftsmodell an die Marktbedingungen anpassen. Wir sind in allen Ländern das Unternehmen Data Respons, aber in Norwegen sind wir Norweger, in Deutschland sind wir Deutsche und in Schweden sind wir Schweden. Wir erfassen die Unterschiede zwischen den Ländern, indem wir lokale Mitarbeiter einsetzen, die wiederum mit lokalen Partnern und Kunden zusammenarbeiten. So kommunizieren wir unsere Identität nach außen. Als Gesamtunternehmen sind wir Data Respons, über unsere Teams vor Ort können wir jedoch mit lokalen Unternehmen konkurrieren.

Obwohl wir ein internationales Unternehmen sind, glaube ich an ein dezentrales Modell. Wir motivieren unsere Mitarbeiter dazu, Verantwortung zu übernehmen und geben ihnen die Möglichkeit, Einfluss auszuüben. Hier sind Offenheit und Ehrlichkeit wichtig. Ich bitte unsere Mitarbeiter immer wieder, ihre Gedanken und Meinungen mit mir zu teilen. Wenn wir dieses Vertrauen langfristig in der Organisation aufbauen können, dann bekommen wir das Vertrauen und die Loyalität über unsere Mitarbeiter und Kunden zurück.

Mein dritter Tipp: Wer expandiert, muss im jeweiligen Markt präsent sein. Ich war in den letzten Jahren viel in Deutschland unterwegs. Leider habe ich die Sprache bisher noch nicht gelernt. Zum Glück kommt man mit Englisch mittlerweile sehr weit.

Was war bisher das größte Learning in Deutschland?

Das größte Learning ist die Bedeutung lokaler Investitionen. Es ist nicht möglich, den gesamtdeutschen Markt von Frankfurt aus zu decken – man deckt dann vor allem die Region Frankfurt. Wir haben anfangs etwas Zeit verloren, weil uns nicht bewusst war, wie groß das Land wirklich ist. Man muss einen Schritt nach dem anderen gehen, sich fokussieren und beachten, dass Deutschland regional aufgebaut ist, aber viele große Unternehmen über das Land verteilt sind. Eine Zusammenarbeit mit Daimer erfordert beispielsweise eine Präsenz in Stuttgart, eine Zusammenarbeit mit Audi in Ingolstadt oder München.   

Außerdem haben wir gelernt, dass Nordeuropa bei der Digitalisierung – sowohl bei der Technologieentwicklung als auch bei der Arbeitsweise – Deutschland bislang noch einen großen Schritt voraus ist. In Norwegen und Schweden haben wir ein hohes Kostenniveau, weniger Menschen und große Distanzen. Deshalb haben wir die Kommunikation, Mobilität und Digitalisierung optimiert. Obwohl Deutschland in diesem Bereich über Fachkompetenz verfügt, hinkt es etwas hinterher. Nicht alle Orte bieten Breitband oder die Möglichkeit zur Kartenzahlung – das kann schon überraschend sein. Genau das hat uns aber auch eine enorme Chance in Deutschland eröffnet, wo die Digitalisierung nun in vollem Gange ist.   

Wie investiert Data Respons in Deutschland in 5G und wie sieht die Zukunft in diesem Markt aus?

5G steht für uns auf der globalen Agenda. Es ist ein wesentlicher Teil der Infrastruktur, die nun entwickelt wird und die es ermöglicht, alle Technologien miteinander zu verbinden. Einer unserer großen Kunden ist Ericsson, einer der weltweit führenden Anbieter von 5G. Die in Deutschland verfügbare Technologiekompetenz bringt uns gute Wettbewerbsvorteile. Ansonsten ist unser Ziel in Deutschland, ein Spezialist für einzelne Nischen zu sein. Wir haben unterschiedliche Unternehmen in Leipzig, München, Hannover, Erlangen oder Ingolstadt, die bei der Digitalisierung neuer Geschäftsmodelle eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten, beispielsweise bei der Modernisierung der Automobilstruktur und bei Carsharing-Anwendungen.

Wie hat sich die Pandemie auf die Geschäftstätigkeit von Data Respons ausgewirkt?

Wir sind trotz Covid-19 im letzten Jahr gewachsen, auch auf dem deutschen Markt. Wir haben schon immer ein gute Unternehmensstruktur und viele digitale Plattformen für die interne Kommunikation – das war in dieser Zeit von Vorteil. Unsere Software-Ingenieure und Spezialisten arbeiten nun sogar noch effizienter als zuvor, weil sie sich die Reisezeit sparen. Was wir aus der Pandemie mitnehmen, ist, dass wir in allen Ländern digital genauso gut arbeiten können. Ich denke, dass wir danach noch enger mit Deutschland und Schweden zusammenarbeiten werden. Aber: Der digitale Weg reicht nicht aus. Wir werden wieder nach Deutschland reisen und unsere Mitarbeiter treffen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Übersetzung: Julia Pape