Am 12. Mai findet das German-Norwegian Industry Forum in Düsseldorf statt, zu dem führende Vertreterinnen und Vertreter aus der norwegischen und deutschen Industrie und Wirtschaft erwartet werden. In beiden Ländern steht die Industrie vor einer umfassenden Neuausrichtung, um das Ziel der Klimaneutralität in Europa bis 2050 erreichen zu können. Wie die Umstellung auf kohlenstoffneutrale Technologien aussehen könnte, wird eines der Themen der Konferenz sein.
Europa strebt bis 2050 Klimaneutralität an. Deutschland hat dieses Ziel sogar nach vorne verlegt und will das Ziel der Treibhausgasneutralität bereits 2045 erreicht haben. Hierfür müssen die Emissionen auf null gesenkt werden, was auch den Ausstoß von industriellen Prozessen einschließt. In den kommenden zehn Jahren steht in Europa dementsprechend eine umfassende Dekarbonisierung an.
In Norwegen liegt der Anteil der Industrie am gesamten CO2-Ausstoß bei 23 Prozent. In Nordrhein-Westfalen (NRW) beträgt der Anteil 22 Prozent, in Deutschland insgesamt bei 24 Prozent. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen, wie etwa Energie und Transport, hat die Industrie ihr Potenzial für Energieeinsparungen und CO2-Reduktionen bereits in hohem Maße ausgeschöpft. Eine weitere Senkung in der europäischen Industrie erfordert eine industrielle Skalierung von Klimatechnologien, die gegenüber herkömmlichen Lösungen, wie beispielsweise Erdgas, bisher nicht wettbewerbsfähig sind.
Nordrhein-Westfalen zieht mit der Industrie an einem Strang
Das diesjährige German-Norwegian Industry Forum findet in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf statt. NRW ist Deutschlands industrielle Kernregion. 2019 stand NRW für 18,1 % des Gesamtumsatzes aus der deutschen Industrie. 19,7 % der Einwohner des Bundeslandes sind mittel- oder unmittelbar in der Industrie beschäftigt. Mit 45 Milliarden Euro Jahresumsatz generiert das Bundesland rund ein Drittel des landesweiten Umsatze aus der Chemieindustrie. Insgesamt gibt es 13 Industrieparks für chemische Industrie in NRW. Darüber hinaus ist die Metallproduktion ein Kernzweig für das Bundesland.
Wegen der wichtigen Rolle der Industrie hat NRW sich als Vorreiter für den Aufbau der künftigen europäischen Infrastruktur für eine kohlenstoffneutrale Industrie profiliert. Für das Jahr 2050 prognostiziert das Bundesland einen jährlichen Bedarf von 104 TWh, wovon nur 18 TWh lokal erzeugt werden können. Importe sind aus diesem Grund unerlässlich. Das Bundesland hat deswegen Gespräche mit den Niederlanden und Deutschlands nördlichen Bundesländern eingeleitet, um eine Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von klimaverträglichem Wasserstoff im Industriemaßstab aufzubauen.
„Wir brauchen den Import und Partnerschaften mit anderen Regionen und Ländern, wenn wir unsere selbst gesetzten Ziele erreichen wollen. Daher freuen wir uns auf den Dialog mit norwegischen Unternehmen und die Möglichkeiten, die sich auf Basis des Industrieforums ergeben können“, so Ralf Schlindwein, Geschäftsführer Abteilung International, IHK Düsseldorf.
Die Wasserstoff-Roadmap vom November 2020 formuliert für 2030 das Ziel, 240 km Rohrleitungen zum Transport von Wasserstoff zu verlegen und sie mit angrenzenden Ländern und Regionen zu verbinden. Darüber hinaus werden 1-3 GW Elektrolyseleistung sowie die Einführung von klimaverträglichem Wasserstoff in einer Reihe von Branchen wie Stahl, Glas, Fliesen, Ziegelsteinen und Gießereien angestrebt. Zentral für diese Initiative ist das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg, Europas größte Anlage für die Stahlproduktion.
„Norwegen ist eines der ersten Länder in der Entwicklung einer vollständigen Wertschöpfungskette für Wasserstoff. Daher ist es besonders spannend, einen Dialog zwischen unserer Region und Vertretern aus der norwegischen Wirtschaft und Politik zu starten“, sagt Dr. Fritz Jaeckel von der IHK Nord Westfalen.
Dabei ist sich das Bundesland darüber im Klaren, dass sich die Ziele durch einen groß angelegten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht vollständig erreichen lassen, auch wenn dies an sich bereits ein gewaltiger Kraftakt ist. Laut der im Herbst 2021 veröffentlichten Carbon-Management-Strategie des Bundeslands ist eine grundlegende Neuausrichtung erforderlich. Es bedarf nicht nur großer Mengen an erneuerbarer Energie und klimaverträglichem Wasserstoff. Die nachhaltige Nutzung von CO2 ist mindestens ebenso wichtig. Die Strategie erklärt auch, dass die Industrie von NRW nicht ganz auf CO2 verzichten kann. Ein innovativer Ansatz kann dagegen sein, Wege zur Nutzung von CO2 als Rohstoff, alternativ zur Speicherung von CO2 zu suchen. So soll vermieden werden, dass es in die Atmosphäre gelangt und zur Erderwärmung beiträgt.
Das Ziel ist deshalb, NRW zum modernsten und klimaverträglichsten Industriestandort Europas zu machen. Zu vermeiden ist hierbei die Verlagerung von Industrieunternehmen in andere Regionen mit weniger ambitionierten Klimazielen, auch Carbon Leakage genannt. Um dies zu erreichen, muss aktiv darauf hingearbeitet werden, dass Lösungen für 2050 bereits heute bis zur Reife entwickelt werden.
Weitere Informationen und die Anmeldung zum German-Norwegian Industry Forum finden Sie hier.
Deutschland | Norwegen |
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Deutschland soll grundsätzlich Wind und Sonnenenergie zur Stromerzeugung fördern und grünen Wasserstoff ins Zentrum rücken. Zwei entsprechende Maßnahmenpakete hat Wirtschaftsminister Robert Habeck für dieses Jahr bereits angekündigt. | Einführung spezifischer Ziele für Emissionsminderungen für jeden einzelnen Sektor und jede Branche |
2030: minus 65 Prozent CO2 gegenüber 1990 (von 172 Mio. Tonnen (2020) auf 118 Mio. Tonnen/Jahr) | Fortsetzung und Stärkung des CO2-Kompensationssystems, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu gewährleisten und Carbon Leakage verhindern |
2030: Verdoppelung der Elektrolysekapazität auf 10 GW | Entwicklung des Einsatzes emissionsarmer und emissionsfreier Technologien durch gegenseitig bindende Vereinbarungen in Klimapartnerschaft mit der Industrie |
Idealerweise bis 2030: Kohleausstieg | Öffentliche Förderprogramme, für emissionsfreie und emissionsarme Lösungen |
2035: 100 Prozent Ökostrom | Roadmap für Wasserstoff: 5 maritime Wasserstoff-Hubs, 1-2 industrielle Großprojekte, 5-10 Pilot- und Demonstrationsprojekte |
2045: minus 100 Prozent CO2 gegenüber 1990 (Klimaneutralität) | Aufbau einer kohärenten Wertschöpfungskette im Bereich Wasserstoff, Jahresziel zur Produktion von blauem und grünem Wasserstoff bis 2030, aktualisierter Fahrplan für Wasserstoff ab 2022 |
Ab 2050: minus 100 Prozent CO2 gegenüber 1990 (negative Emissionen) | Regierung stärkt den Fokus auf Wasserstoff |
Gründung internationaler “Klimaclub” zur klimafreundlichen Sicherung industrieller Interessen und Verhinderung von Carbon Leakage | Kohlenstoffabscheidungs- und -speicherprojekt Longship |
Northern Lights: Kapazität von 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr |