Im Dezember 2021 hat Lufthansa verkündet, dass sie am 3. Mai ihre Fluglinie zwischen Frankfurt/Main und Stavanger wieder öffnet. Der Service wurde 2015 eingestellt. Nach sieben Jahren Pause ist dies ein wichtiges Signal für die Region. Hinzu kommt ab dem 7. Mai 2022 einen neue Flugroute zwischen München und Bergen. Darüber hinaus werden die Frequenzen auf den Routen zwischen Bergen und Frankfurt und Frankfurt und Tromsø gesteigert. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie, in denen Reisen und Transportangebote eingeschränkt waren, ist dies ein sehr positives Signal für die Regionen, Privat- und Geschäftsreisende sowie Unternehmen, die von einem großen Transportangebot abhängig sind.
Dennoch stellt sich in Zeiten, in denen die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Vordergrund stehen, die Frage, wie sich ein erhöhtes Flugangebot damit vereinbaren lässt. Wir haben dies zum Anlass genommen und mit Flemming Nordestgaard, General Manager Sales Norway bei Lufthansa Group Airlines, gesprochen. Nordestgaard ist seit mehr als 14 Jahren in führenden Positionen für die Lufthansa tätig, unter anderem in Stockholm, Kopenhagen und Frankfurt/Main.

Herr Nordestgaard, warum ist die Routen Stavanger – Frankfurt/Main so wichtig?
Flemming Nordestgaard: Die Westküste Norwegens ist als solche eine wichtige Region. Insbesondere Stavanger ist natürlich für seine zahlreichen Aktivitäten im Öl- und Energiesektor bekannt. Doch Stavanger ist viel mehr als das. Die Region wird bei internationalen Touristen, insbesondere aus Deutschland, immer beliebter. Stavanger bietet sowohl unberührte Natur als auch interessante Kultur. Darüber hinaus ist der Wunsch der lokalen Bevölkerung groß, eine direkte Verbindung zu einem der größten Drehkreuze Europas zu haben.
Die Route wurde weit vor der Pandemie geschlossen. Warum wird sie genau jetzt wieder eröffnet, neben weiteren Routen, auf denen die Frequenz erhöht wird?
Selbst in der kritischsten Zeit der COVID-Krise erwies sich der Verkehr von und nach Norwegen als einigermaßen krisenresistent, insbesondere im Bereich der Schifffahrt und des Offshore-Geschäfts.
Gleichzeitig waren Norwegen und die anderen skandinavischen Länder weniger COVID-Beschränkungen ausgesetzt, was zu einem schnelleren Anstieg der Nachfrage nach Freizeitreisen beigetragen hat.
Norwegen war schon immer bei Touristen wegen seiner vielfältigen, atemberaubenden Landschaften und seiner zahlreichen Outdoor-Aktivitäten beliebt. Das Land ist aber auch ein Synonym für Raum und Sicherheit, was heutzutage noch mehr gefragt ist. Ich sehe Norwegen ganz klar auf der Liste der Trendziele.
Was hat die COVID-Krise verändert?
Ich persönlich glaube, dass die Krise zu Verhaltensänderungen geführt hat. Flexible Arbeitsbedingungen und virtuelle Meetings sind stärker in unserer internen Kultur in unserem Vertriebsteam integriert, aber auch in gewissem Maße in der Interaktion mit Partnern und Kunden.
Das Unternehmensgeschäft ist noch nicht wieder auf dem Stand von 2019, aber wir sehen Anzeichen dafür, dass sich die Dinge langsam wieder in Richtung „Normalität“ bewegen. Wer in der Wirtschaft neue Ideen entwickeln und neue Kunden gewinnen will, muss sie nach wie vor persönlich treffen – das hat sich nicht wirklich geändert.
Endlich, nach zwei Jahren der Abriegelung, ist die Lust, die Welt wieder zu sehen, so groß.
Nach der Pandemie ist der Luftraum hart umkämpft. Vielen Airlines geht es nicht gut, Lufthansa expandiert hingegen. Welche weiteren Zukunftspläne hat die Airline in Norwegen?
Ich muss leider zunächst betonen, dass die COVID-Krise noch nicht ganz vorbei ist. Auf globaler Ebene haben wir es in einigen Regionen der Welt immer noch mit einem schwierigen Geschäftsumfeld zu tun.
Es ist jedoch richtig, dass Lufthansa in Norwegen erheblich expandiert hat, auch weil wir mehr Nachfrage für dieses Land sehen. Mit der Eröffnung von Stavanger am 3. Mai wird Lufthansa auf dem norwegischen Markt bis zu 20 Prozent mehr Kapazität anbieten als vor der Krise.
Das Hauptziel hier und jetzt ist es, einen erfolgreichen Start der neuen Strecken zu gewährleisten und eine solide Basis an der Westküste zu schaffen. Die Zeit wird zeigen, was die Zukunft bringt.
Gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und den norwegischen Markt?
Die Nachfrage nach Reisen betreffend, nicht wirklich. Erfreulicherweise erleben wir einen enormen Aufschwung bei den Buchungen in ganz Europa. Unsere Gäste haben ihre Reiselust wieder entdeckt und die Aufhebung der Beschränkungen unterstützt dies.
Die Pandemie und der damit gesunkene Flugverkehr haben dem Klima gutgetan. Nichtsdestotrotz sind Nachhaltigkeitsziele aktueller denn je. Die schlechte CO₂-Bilanz von Flugreisen führt dazu, dass von flight shame gesprochen wird. Wie passt ein erhöhtes Flugangebot zu Nachhaltigkeitszielen?
Die Krise hat uns die Bedeutung des Luftverkehrs vor Augen geführt. Wir alle haben miterlebt, wie Lieferketten aufgrund mangelnder Luftfrachtkapazitäten unterbrochen wurden. Viele Menschen haben die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass sie aufgrund von COVID-Beschränkungen nicht in der Lage waren, geliebte Freunde und Verwandte zu treffen.
Daher sollte die Frage in meinen Augen nicht lauten, ob man reisen soll, sondern wie man am nachhaltigsten reisen kann.
Was ist denn ein möglichst nachhaltige Weg zu fliegen?
Die Lufthansa Group arbeitet seit Jahren mit dem Lufthansa Innovation Hub zusammen und hat mit der Plattform „Compensaid“ eine zukunftsweisende Kundenlösung für die Nutzung von CO₂-Kompensation entwickelt. Die Plattform ermöglicht es Passagieren, ihre Reiseaktivitäten im Blick zu behalten und ihre CO₂-Emissionen zu kompensieren, indem sie zwei Optionen anbietet.
Die Reisenden können sich dafür entscheiden, fossile Flugkraftstoffe durch SAF (Sustainable Aviation Fuel) zu ersetzen, und die Plattform berechnet die Preisdifferenz zwischen SAF und fossilem Kerosin. Die Kunden zahlen nur den Aufpreis für den innovativen Kraftstoff.
Alternativ können Reisende auch hochwertige Projekte der Schweizer Klimaschutzorganisation Myclimate unterstützen, bei denen das CO₂ über einen Zeitraum von zehn Jahren kompensiert wird.
Ein gutes Beispiel: Der Geschäftsflugverkehr aller Mitarbeiter der Lufthansa Group ist seit 2019 CO₂-neutral.
Was macht Lufthansa darüber hinaus zum Thema Nachhaltigkeit?
Die Lufthansa Group hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Netto-Kohlenstoffemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 um 50 Prozent zu reduzieren und bis 2050 CO₂-neutral zu werden.
Als Europas führender Airline-Konzern werden wir auch weiterhin Flugreisen und Umweltschutz als oberste Priorität vereinen. Wir sind Branchenführer für umweltfreundliches Fliegen. Wir investieren jährlich 2,5 Milliarden Euro in den Klimaschutz durch den Kauf von „grünen“ Flugzeugen und alle zwei Wochen wird ein neues Flugzeug an die Lufthansa Group ausgeliefert.
Wir setzen Zeichen, indem wir 250 Millionen US-Dollar für nachhaltigen Flugtreibstoff ausgeben, und wir befähigen alle unsere Kunden, ihre Flüge klimaneutral zu gestalten. Wir verbinden Flugzeug und Bahn für mehr Klimaschutz wie kein anderer Airline-Konzern weltweit. Und mit unserem hauseigenen Green Think Tank treiben wir mehr als 80 hochkarätige Projekte voran.
Sie sagen, dass Lufthansa bis 2050 CO₂-neutral werden möchte. Für einen Laien klingt dies schier unmöglich. Wie will die Lufthansa das Ziel erreichen?
Hand aufs Herz: Ich bin auch kein Spezialist für Nachhaltigkeit. Was mir in meiner Rolle als General Manager Sales Norway wichtig ist, ist, dass wir jetzt über gute Instrumente und Vertriebskanäle verfügen, um unseren Kunden aus Norwegen schon heute die Möglichkeit zu bieten, den Netto-Kohlenstofffußabdruck auszugleichen. Es ist ein Mentalitätswandel, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Die norwegischen Kunden fragen zunehmend nach diesen Instrumenten und erwarten von uns, dass wir eine Lösung zum Ausgleich oder zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes anbieten.
Letztendlich glauben wir weiterhin an unsere große Leidenschaft für das Fliegen.