Am 19. November laden wir in Oslo zu einem deutsch-norwegischen Seminar über erneuerbare Energien im Wärmesektor ein. In diesem Zusammenhang sprachen wir mit den Referenten über spannende Projekte, aktuelle Markttrends sowie Herausforderungen, vor denen Deutschland und Norwegen stehen.
Aufgrund der Versorgung mit fast 100 Prozent erneuerbarer Wasserkraft ist Elektrizität seit langem der Kern des norwegischen Wärmesektors. In den letzten Jahren wurden durch einen stärkeren Fokus auf Energieflexibilität und einem erhöhten Strombedarf – zum Beispiel im Verkehrssektor – aber auch andere erneuerbare Energiequellen wie Fernwärme und Wärmepumpen verstärkt zum Einsatz gebracht.
„Norconsult verzeichnet ein zunehmendes Interesse an erneuerbaren Lösungen, um den Heiz- und Kühlbedarf in Gewerbe- und Bürogebäuden zu decken, und immer mehr Projekte haben einen Umweltfokus.“ Laut Tim Baumann, Berater bei Norconsult, streben viele Kommunen den Bau neuer öffentlicher Gebäude als Plusenergiehäuser an.
Der norwegische Wärmesektor war bisher wenig von Innovationen getrieben und ist eher stark an die Bauvorschriften und öffentlichen Förderregelungen gebunden. Die von Baumann skizzierte Entwicklung des Marktes hängt damit zusammen.
„Strengere regulatorische Rahmenbedingungen in Norwegen wie das Verbot der Verwendung von Ölheizung und die neusten Bauvorschriften sowie staatliche Förderprogramme tragen dazu bei, dass Bauherren energieeffiziente Alternativen besser bewerten und bevorzugen.“
Neues Klimagesetz in Deutschland schafft Veränderung
Baumann zufolge ist die Situation in Deutschland eine andere: „Der Heizungssektor in Deutschland war und ist historisch stark von fossilen Energieträgern, insbesondere von Erdgas, geprägt und zeichnet sich durch relativ hohe Strompreise aus. Durch diese Kombination ist das Heizen mit Erdgas in vielen Gebäuden nach wie vor eine günstige Alternative. Die Herausforderung in Deutschland wird darin bestehen, Alternativen zu etablierten, Lösungen zu fördern und es für Bauherren attraktiv zu machen, in umweltfreundlichere Technologien zu investieren.“
Ende September legte das Klimakabinett ein Klimapaket vor, das CO2-Preise, den großflächigen Ausbau von Ladestationen für Elektroautos und ein Ölheizungsverbot im Jahr 2026 vorsieht. Dr. Eberhard von Rottenburg, stellvertretender Leiter der Abteilung Klima- und Energiepolitik des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), weist auf einige Punkte hin, die den Wärmemarkt verändern werden:
„Infolge des ambitionierten CO2-Reduktionspfades für Gebäude im Klimagesetz sollen wirksamere Förderinstrumente zum Einsatz gebracht werden. Es soll eine Steuerförderung für energetische Sanierungen geben und auch die Zuschussförderung soll attraktiver gemacht werden. So sollen neue Technologien schneller zum Einsatz gebracht und die Digitalisierung vorangetrieben werden.“
Darüber hinaus weist Rottenburg darauf hin, dass Deutschland mit einem technologieoffenen und ergebnisorientierten Umbau des Wärmesektors dazu beitragen kann, neue kosteneffiziente Wege zur Senkung der CO2-Emissionen aufzuzeigen. Zudem kann Deutschland zeigen, dass die nachhaltige Reduzierung des CO2-Ausstoßes mit Technologien, die im eigenen Land verfügbar sind, möglich ist.
Zero Emission Neighbourhoods
Im Laufe der Zeit sind in Norwegen mehrere Kooperationsprojekte zwischen Bauindustrie, Forschungseinrichtungen und Umweltorganisationen entstanden, die gemeinsam den Klimaeffekt energieeffizienterer Gebäude demonstrieren wollen und Gebäude und Stadtteile zu den klimafreundlichsten der Welt entwickelt haben. Das Energiespeicherprojekt bei Furuset im Nordosten von Oslo ist eines dieser sogenannten Zero-Emission-Neighbourhoods-Projekte.
„Im Furuset-Projekt werden wir eine Auswahl größerer Gewerbe- und Wohngebäude in einem Mikroenergiesystem verbinden. Ein großer thermischer saisonaler Speicher wird dabei ein Schlüsselelement zur Reduzierung des thermischen und elektrischen Energiebedarfs darstellen“, erklärt Trond Moengen, Projektleiter bei der Klimabehörde in Oslo.
Das Mikroenergiesystem löst ein im Hinblick auf emissionsfreie Gebäude bekanntes Problem: Ein Großteil der für das Heizen und Kühlen der Gebäude benötigten Energie wird bei geringem Bedarf erzeugt, während die Produktion bei hohem Bedarf in der Regel auf einem niedrigen Niveau liegt.
„Heute geht ein Teil der Energieproduktion aus der Müllverbrennung verloren, weil im Sommer auch bei geringem Wärmebedarf Müll verbrannt werden muss. Durch die Speicherung und spätere Nutzung dieser überschüssigen Wärme wird der Energiebedarf reduziert und somit für andere Zwecke freigesetzt. Der freigesetzte Strom aus erneuerbaren Quellen könnte auch in Märkten ersetzt werden, in denen der Anteil fossiler Energieträger höher ist als in Norwegen“, so Moengen.
Auf dem Seminar wird ein ähnliches Projekt aus Deutschland vorgestellt. Die Energiesysteme des Campus Berlin-Charlottenburg, der Teil der Technischen Universität Berlin ist und aus 47 Gebäuden besteht, sollen energetisch saniert werden. Der Fokus liegt dabei auf flächendeckenden anstatt separaten Lösungen. Das Projekt soll zeigen, wie Deutschland seine Energieziele bis 2050 erreichen will.
Deutschland und Norwegen können voneinander lernen
Ein anderes Projekt, das in Norwegen viel Aufmerksamkeit erhalten hat, ist die Vestsiden Sekundarschule in Kongsberg, die im Herbst wiedereröffnet wird. Die Schule verwendet nun Wasserstoff aus selbst erzeugter Solarenergie als Wärmequelle.
„Die saisonale Speicherung von Solarenergie in Wasserstoff ist eine neue Methode, um mehr aus der Solarenergie herauszuholen. Der in der Schule produzierte Wasserstoff wird in einem speziellen Lager von Hystorsys in Kjeller gelagert. Das Lager besteht aus Behältern, die mit Metallhydrid gefüllt sind, das den Wasserstoff chemisch bindet und so eine sehr hohe Wasserstoffdichte erzeugt, ohne dass ein hoher Druck erforderlich ist. Dieses Lager wird weltweit das größte seiner Art sein“, erzählt Projektleiter Hallvard Benum von der Behörde Kongsberg kommunale eiendom KF.
Benum glaubt, dass dieses Projekt eine Inspiration für Deutschland sein kann, zumal der Strom dort erheblich teurer ist als in Norwegen:
„Deutschland wird genau wie Norwegen mehr Bedarf an regulierbarer Energie haben, die gespeichert werden kann, falls Wind und Sonne als Energiequellen ausfallen. Dafür eignen sich Brennstoffzellen und Wasserstoff perfekt.“
Tor Kristian Haldorsen, Projektmitarbeiter bei der AHK Norwegen, erklärt, dass die Herausforderungen in beiden Ländern trotz der Unterschiede im deutschen und norwegischem Wärmesektor ähnlich sind:
„Sowohl in Norwegen als auch in Deutschland müssen die Treibhausgasemissionen weiter gesenkt und die Energieeffizienz gesteigert werden. Hier können sich Länder voneinander inspirieren lassen. Norwegen ist in vielerlei Hinsicht ein Pionier auf dem Gebiet der Entwicklung klimafreundlicher Gebäude, während Deutschland für seine Ingenieurskunst bekannt ist, auch im Bezug auf Energieeffizienz und Lösungen für erneuerbaren Energie. Indem wir Akteure aus beiden Ländern zusammenbringen, erhalten sie die Möglichkeit zu einem wertvollen Erfahrungs- und Wissensaustausch, woraus wiederum neue Projekte entstehen können.“
Im Rahmen des Seminars am 19. November werden wir auch Pitches von fünf deutschen Unternehmen aus dem Wärmesektor hören: ELWA Elektro-Wärme GmbH, Schletter Solar GmbH, Kübler GmbH, Messtechnik Eheim und S:FLEX GmbH
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