Warteschlangen vor Norwegens Ladesäulen

Die norwegische Regierung verfolgt das ehrgeizige Ziel, ab dem Jahr 2025 ausschließlich emissionsfreie Fahrzeuge zu verkaufen. Der Ausbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur hängt jedoch weit hinterher. Um das Ziel zu erreichen, müssen jährlich 1 000 bis 1 500 Schnellladestationen installiert werden – bislang wurden erst 187 Ladepunkte gebaut.

Die erste Massenproduktion von elektronischen Fahrzeugen begann bereits in den 1890er Jahren in den USA. Diese Autos konnten jedoch nicht mit den damaligen Verbrennungsmotoren konkurrieren, unter anderem aufgrund der begrenzten Reichweite (40 km) und dem hohen Batteriepreis. Fast 130 Jahre später hat der Klimawandel nun dazu geführt, dass der Elektromotor seinen rechtmäßigen Platz im Markt gefunden hat.

Mittlerweile hat sich die Skepsis gegenüber der mangelnden Reichweite gelegt, und die Preise sind für den durchschnittlichen Autofahrer erschwinglich geworden. Die kleineren Modelle, die 2018 auf den Markt kommen, kosten rund 32 000 Euro und haben eine Reichweite von mindestens 300 km. Energieeffiziente Elektromotoren sorgen dafür, dass der Betrieb von E-Autos heutzutage viel günstiger ist als von Diesel- oder Benzinmodellen. Diese Faktoren in Kombination mit Steuervorteilen und geringen oder keinen Mautgebühren tragen dazu bei, dass Elektrofahrzeuge einen zunehmend größeren Anteil an der norwegischen Fahrzeugflotte ausmachen.

Manko bei Schnellladestationen

Der Umstieg auf Elektrofahrzeuge bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Es fehlt an verfügbaren Ladestation für die zunehmende Anzahl an E-Autos. Insbesondere Schnellladesäulen sind Mangelware: «Elektrofahrzeuge haben in diesem Jahr einen Marktanteil von 26 Prozent. Der Ausbautakt für Schnellladestationen im ganzen Land muss stark erhöht werden, um die Bevölkerung weiter zum Kauf von E-Modellen zu motivieren und Warteschlangen an Ladestationen zu verhindern“, meint Petter Haugneland, Kommunikationschef des norwegischen Verbands für Elektromobilität.

Nach Angaben des Branchenverbands waren im Juni 167 745 Elektrofahrzeuge auf den norwegischen Straßen unterwegs. Landesweit standen diesen 10 153 öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung, davon 1 874 Schnellladesäulen (ohne Teslas eigene Ladestatio-
nen). 2017 gab es 30 Prozent mehr Schnellladestationen als im Vorjahr – die Ladeinfrastruktur wird also ausgebaut, kann mit dem steigenden Absatz von Elektrofahrzeugen allerdings nicht mithalten. Nach Angaben des norwegischen Automobilverbands NAF müssten bis 2025 10 000 neue Schnellladepunkte gebaut werden, um dem Wachstum an Elektrofahrzeugen in den nächsten sieben Jahren zu entsprechen. Der Ver-band betont, dass im Rahmen der Null-Emissions-Vision berücksichtigt werde, dass E-Autos zu allen Zwecken eingesetzt werden – nicht nur für Alltagsfahrten, sondern auch im Pendlerverkehr, bei Ferienreisen und in Situationen, in denen das Auto auch mit fast leerer Batterie genutzt werden muss:

«Wir müssen sicherstellen, dass ein Großteil der Autofahrer seine Fahrzeuge in der Regel Zuhause oder bei der Arbeit aufladen kann und die Schnelllader nur für längere Fahrten genutzt werden. Zu den wohl größten Herausforderungen gehören das Aufladen in Mehrfamilienhäusern sowie das Schnellladen bei Verkehrsspitzen wie Wochenendausflügen“, so Haugneland.

Ehrgeizige Ziele für Elektromobilität

Das Ziel der norwegischen Regierung, ab 2025 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zu verkaufen, ist verglichen mit anderen Ländern sehr ehrgeizig; Deutschland strebt dieses Ziel zum Beispiel bis 2030 an. Zahlreiche Akteure im Bereich der Elektromobilität fordern seit vielen Jahren eine klare Strategie der Regierung, die konkrete Maßnahmen zur Entwicklung der Ladeinfrastruktur und zur Erreichung dieser Zielsetzung beinhaltet. Der Verband für Elektromobilität erachtet es als besonders wichtig, dass die Autohersteller die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen bedienen können, weil die Wartelisten – insbesondere für Elektrofahrzeuge mit verbesserter Reichweite – gegenwärtig zu lang sind.

Die norwegische Regierung arbeitet derzeit an einem Plan für die Ladeinfrastruktur sowie alternative Treibstoffe, der wahrscheinlich im Herbst 2018 präsentiert wird. „Wir gehen davon aus, dass der Plan skizziert, wie die Behörden den groß angelegten kommerziellen Ausbau der Ladeinfrastruktur im ganzen Land organisieren können“, so Haugneland.

Die Ladeinfrastruktur in Norwegen wird von öffentlichen und privaten Akteuren verantwortet: Fortum Charge & Drive ist der größte Betreiber von norwegischen Ladestationen, Grønn Kontakt ist ein weiterer wichtiger Akteur. Erst kürzlich gründeten die Automobilgiganten BMW, Volkswagen, Daimler und Ford das Schnelllade-Joint-Venture Ionity. Das Gemeinschaftsunternehmen will bis 2020 in Zusammenarbeit mit Circle K insgesamt 400 Schnellladestationen entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen bauen, viele davon in Norwegen. Hinzu kommt Teslas eigenes Ladenetzwerk. «In Gebieten mit einem hohen Anteil an Elektrofahrzeugen ist es bereits rentabel, kommerzielle Ladestationen zu bauen», so Haugneland.

Einige norwegische Kommunen haben eigene Pläne für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und können Finanzierungshilfen von Enova in Anspruch nehmen: „Wir möchten, dass Elektrofahrzeuge eine echte Alternative sind, und unterstützen deshalb die Installation von Schnellladestationen in Kommunen, in denen es bisher weniger als zwei Schnellladesäulen gibt“, heißt es auf der Website. Das staatliche Unternehmen soll zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen und Innovationen in der Energie- und Klimatechnologie fördern, veröffentlicht aber auch Ausschreibungen für den Ausbau des betreffenden Straßennetzes.

Problematisch wird es, wenn die Anträge für finanzielle Mittel zum Ausbau von Ladestationen in einzelnen Regionen ausbleiben. Das ist zum Beispiel in der Finnmark der Fall, wo es bis heute keine Schnellladestationen gibt. Haugneland ist der Meinung, dass es auch weiterhin öffentliche Mittel für Ladeinfrastrukturprojekte in Gebieten mit einem geringen Aufkommen an Elektrofahrzeugen geben müsse, auch wenn die Profitabilität gering oder nicht vorhanden sei. Nur so könne sichergestellt werden, dass alle Einwohner in Norwegen die Möglichkeit haben, sich bis 2025 für ein Elektrofahrzeug zu entscheiden.

Hilde Bjørk
Übersetzung Julia Pape