Von der Pfandpflicht bis zum Kündigungsknopf – das sind die Regeländerungen 2022 für Unternehmen in Deutschland
Seit dem 1. Januar 2022 gelten zahlreiche neue Gesetze, Gesetzesänderungen und Regelungen für Unternehmen in Deutschland. Betroffen sind auch Handel und Industrie. So müssen Verkäuferinnen und Verkäufer ihrer Kundschaft gegenüber künftig bis zu zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass diese mangelfrei war. Bislang betrug die Frist sechs Monate. Hier sind einige der wichtigsten Änderungen.
Neu ist mehr Gewähr nötig
Gleich bleibt hingegen die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Warenkauf. Sie beträgt nach wie vor zwei Jahre ab Lieferung der Produkte. Allerdings sind zwei sogenannte Ablaufhemmungen neu: Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung frühestens vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Ebenso gilt eine Ablaufhemmung, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels frühestens nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
Neu erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher zudem Gewährleistungsrechte für digitale Inhalte – beispielsweise Musik- und Videodateien, E-Books, Apps, Spiele und sonstige Software – und digitale Dienstleistungen, etwa Soziale Netzwerke, Cloud-Anwendungen und Cloud-Speicherdienste. Die Regelungen gelten auch für körperliche Datenträger, auf denen digitale Inhalte gespeichert sind, wie Musik-CDs
Ein Knopf für Kündigungen
Kundinnen und Kunden sollen Verträge, die sie im Internet abschließen (beispielsweise Telefon- und Internetanschluss oder Gaslieferungen), einfacher kündigen können. Konkret sieht das „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ für Verträge im elektronischen Rechtsverkehr einen deutlich beschrifteten Kündigungsbutton auf der Website betreffender Unternehmen vor. Dies gilt allerdings erst ab dem 1. Juli 2022!
Auch beim Verkauf von B-Ware verlangt der Gesetzgeber mehr Deutlichkeit: Bei Vorführgeräten, Ausstellungsstücken oder gebrauchter Ware müssen Verbraucherinnen und Verbraucher vor Vertragsabschluss seit 2022 „eigens“ davon Kenntnis erhalten, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht. Die Abweichung muss dabei ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
Updates sind Pflicht
Seit 2022 sind Verkäuferinnen und Verkäufer dazu aufgefordert, Aktualisierungen für Produkte mit digitalen Komponenten (wie zum Beispiel Tablets, E-Bikes, Autos) anzubieten. Die Dauer der Aktualisierungspflicht hängt von Erwartung des Verbrauchers ab und ist von Faktoren wie dem Material der Kaufsache, ihrem Preis, der üblichen Verwendungsdauer und möglicher Werbeaussagen bestimmt.
Gesetz verbannt die Plastiktüte
Seit dem Jahreswechsel verbietet das Verpackungsgesetz (VerpackG) Einweg-Kunststofftragetaschen und führt eine Pfandpflicht für sämtliche Einwegkunststoff-Getränkeflaschen und -Dosen ein. Außerdem gilt neu für sämtliche Hersteller und Vertreiber von Verpackungen eine Nachweispflicht über die Erfüllung der Rücknahme- und Verwertungsanforderungen.
Neuerungen gibt es auch im Umwelt- und Energiesektor, angefangen mit den Strompreisen: Die EEG-Umlage sinkt 2022 von 6,5 auf 3,723 Cent pro Kilowattstunde. Insgesamt geht die Belastung des Strompreises über alle Umlagen um rund 2,6 Cent pro Kilowattstunde oder gut ein Drittel für Vollzahler zurück. Vollzahler müssen 2022 knapp 5 Cent pro Kilowattstunde Aufschlag auf ihren Stromverbrauch bezahlen. Gleichzeitig steigt der nationale CO2-Preis für fossile Brennstoffe von 25 auf neu 30 Euro pro Tonne.
Drittstrom: Jetzt heißt es messen
Seit 2022 gilt bei Abgrenzungen von sogenannten Drittstrommengen bei der Reduzierung von Strompreisumlagen das Messprimat. Schätzungen dürfen nur noch ausnahmsweise zum Einsatz kommen. Das EEG stellt klar, dass eine Schätzung zukünftig nur noch dann zulässig ist, wenn eine messtechnische Abgrenzung technisch unmöglich beziehungsweise mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden ist.
Mehr Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn erhöht sich zum 1. Januar 2022 von bisher 9,60 Euro auf 9,82 Euro pro Stunde. Eine erweitere Erhöhung erfolgt am 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro pro Stunde.
Änderungen gibt es zudem bei Meldepflichten für Minijobber: Neu hat der Arbeitgeber im Rahmen der Meldung der Arbeitskraft bei der Minijob-Zentrale auch Angaben zur Art der Krankenversicherung anzugeben. Im Anschluss erhält der Arbeitgeber von der Minijob-Zentrale eine unverzügliche elektronische Rückmeldung über anderweitige kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse seiner Aushilfe im laufenden Kalenderjahr.
Whistleblower-Gesetz soll konkreter werden
Die EU-Whistleblowing-Richtlinie wird in Deutschland voraussichtlich im Laufe von 2022 in nationales Recht umgesetzt. Der Anwendungsbereich ist in Deutschland noch ungeklärt. In der Richtlinie werden nur Verstöße gegen Unionsrecht explizit genannt. Unternehmen mit mehr als 249 Arbeitnehmern sollten schon jetzt Vorbereitungsmaßnahmen treffen, wie sie das erforderliche Hinweisgebersystem unternehmensintern aufbauen wollen. Kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern haben damit noch Zeit bis Dezember 2023.
In Sachen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird es 2022 Änderungen geben: Seit dem 1. Oktober 2021 haben Ärzte die Möglichkeit, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihrer Patienten direkt und digital an die Krankenkassen zu übermitteln. Ab dem 1. Juli 2022 sollen auch die Arbeitgeber in den Digitalisierungsprozess einbezogen werden, indem sie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) direkt von den Krankenkassen digital weitergleitet bekommen.
Neue Regelungen im Verkehr
Zum Schutz der Verkehrsteilnehmenden sollen bei Fahrzeugen ab 2022 einige Assistenzsysteme schrittweise zur Pflicht gemacht werden.
Ausführlichere Informationen zu diesen und weiteren Gesetzesänderungen erhalten Sie unter: Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DHIK)
Martin Rechsteiner