Klimapolitik, Corona, Konjunktur – was 2022 auf die Wirtschaft zukommt

Corona-Krise, Lieferengpässe, Inflation, Energiewende, Fachkräftemangel: Viele deutsche Unternehmen mussten im vergangenen Jahr mit diesen Herausforderungen umgehen. Was erwartet die Wirtschaft im Jahr 2022? Welche Stellschrauben müssen gedreht werden, damit Besserung in Sicht kommt? Antworten gibt Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Gleich zu Beginn des neuen Jahres stand das Thema Klimapolitik wieder ganz oben auf der Agenda. Nicht nur für die Politik ein Dauerbrenner, sondern auch und vor allem für die deutsche Wirtschaft. Insbesondere deutsche Industrieunternehmen fürchten um ihre weltweite Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland. „Denn die Klimaschutz-Anforderungen an die Betriebe hierzulande sind deutlich höher und verbindlicher als in anderen Wirtschaftsräumen und bei unseren EU-Nachbarn,“ beschreibt der DIHK-Präsident die Lage.

„Wir brauchen unbedingt einen globalen Ansatz beim Klimaschutz“

Die Transformation hin zur CO2-freien Produktion ist laut Adrian „ein ganz, ganz wichtiges Thema“. Deutschland sei dafür prädestiniert, in diesem Bereich eine technologische Führerschaft zu entwickeln. Gerade die energieintensiven hiesigen Betriebe müssten jedoch im internationalen Wettbewerb auch mithalten können, sonst drohe ihre Abwanderung ins Ausland. Beispielsweise zahlten deutsche Mittelständler für den Strom bereits heute fast doppelt so viel wie ihre Konkurrenz aus Frankreich.

Adrian setzt sich für einen internationalen Ansatz beim Klimaschutz ein: Die wichtigsten Wirtschaftsblöcke der Welt müssten sich auf gemeinsame Standards verständigen. „Ich finde einen ‚Klimaclub‘ daher absolut richtig. Das ist ein ganz wichtiger Schlüssel, um die Transformation wirklich hinzubekommen, und zwar so, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen aufrechterhalten bleibt.“

„Regierungspläne mit Licht und Schatten“

„Wir müssen in Deutschland schneller und besser werden“, so Adrian. Dazu gebe es von Seiten der „Ampel“ gute Ansätze – etwa den politischen Willen, Genehmigungs- und Planungsverfahren zu beschleunigen. Auch das Bekenntnis zu konsequenter Digitalisierung, Innovation und technischem Ideenreichtum lasse hoffen.

Zudem könne die neue Ampelregierung den finanziellen Handlungsspielraum der Unternehmen vergrößern, wie etwa durch die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strompreis, die angekündigte Ausweitung des Verlustrücktrags auf zwei Jahre oder die Anpassung der so genannten Mindestbesteuerung. Kritisch bewertet der DIHK-Präsident vor allem „die unklare Finanzierungsfrage vieler Vorhaben“.

Corona kostet 400 Milliarden an Wirtschaftsleistung

Die anhaltende Corona-Pandemie erschwert die aktuelle Lage zusätzlich: Nach DIHK-Berechnungen hat Corona hierzulande in den Jahren 2020 und 2021 zusammen fast 400 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung gekostet. Kein Wunder also, dass die rasante Verbreitung der Omikron-Variante für viele Unternehmen „wieder die Alarmglocken schrillen“ lasse, sagt Adrian. Doch auch Energiepreise, Rohstoffengpässe und Fachkräftemangel könnten einen nachhaltigen Aufschwung mit viel Investitionen gefährden. „Das Vorkrisenniveau werden wir wohl erst gegen Ende 2022 erreichen können.“

Die Corona-Hilfsmaßnahmen hätten im Großen und Ganzen Schlimmeres verhindert. Es sei daher richtig, dass sie nun wegen der akuten Einschränkungen verlängert würden. Aber: Sie „sind kein Ersatz für echte Wirtschaft“. Auch die weiter bestehenden Lieferengpässe beschäftigen den DIHK-Präsidenten. Sie werden die deutsche Wirtschaft nach seiner Einschätzung noch „eine ganze Zeit begleiten “.

Entspannung bei Lieferkettenproblemen „leider noch nicht in Sicht“

Denn es mangele an Containern, an Frachtkapazitäten auf Schiffen, zudem gebe es Produktionsausfälle, so der DIHK-Präsident. „Viele international vernetzte deutsche Unternehmen stehen vor einem Berg an Aufträgen, den sie aufgrund von Materialmangel nicht abarbeiten können. Die Aufholstrecke ist noch lang, denn eine Entspannung bei den Problemen in der Lieferkette ist leider noch nicht in Sicht.“ 

„Der Höhepunkt des Fachkräftemangels kommt noch“

Corona verschärft zudem ohnehin bestehende Probleme der Unternehmen, auch den Fachkräftemangel: In stark betroffenen Branchen – wie etwa bei Veranstaltern, in der Gastronomie oder bei Reisebüros – seien nicht nur die letzten eisernen Reserven verlorengegangen, sondern auch die Fachkräfte, die jedes Unternehmen nach der Krise brauche.

Neue fachlich versierte Mitarbeitende zu gewinnen, fällt vielen Unternehmen zunehmend schwer. Denn derzeit sind in Deutschland insgesamt 1,7 bis 1,8 Millionen Stellen nicht besetzt. Das allein mindert nach Angaben des DIHK die Wirtschaftsleistung geschätzt um rund 2,5 Prozent. Bis Ende des Jahrzehnts rechnet der DIHK – mit dem Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt – mit einem demografisch bedingten Rückgang um 3 bis 4 Millionen Arbeitskräfte.

Um gegenzusteuern, schlägt Adrian vor, die duale Ausbildung noch attraktiver zu gestalten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen.

Europäische Zentralbank ohne klares Ausstiegssignal aus ihrer lockeren Geldpolitik

Auch wenn einige der aktuellen Preissprünge durch befristete Effekte wie die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer, Nachholen beim Konsum oder auch Lieferengpässe erklärbar sind, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) die aktuelle Entwicklung nach Einschätzung von Adrian ernst nehmen. Was ihm in dieser Hinsicht Sorge macht: „Die EZB hat noch kein richtiges Ausstiegssignal aus ihrer lockeren Geldpolitik erkennen lassen.“

Viele preistreibende Faktoren begleiteten die Unternehmen ins neue Jahr, etwa die CO2-Abgaben oder die Verteuerung bei Rohstoffen, gibt er zu bedenken. Um den finanziellen Handlungsspielraum der Betriebe zu erweitern, plädiert der DIHK-Präsident dafür, dass die neue Regierung die angekündigten Sonderabschreibungen und Verlustverrechnungen rasch auf den Weg bringen sowie die EEG-Umlage schnell abschaffen sollte.

Quelle: DIHK