Mehr als Öl und Gas: Wie Norwegen wieder eine Bergbaunation werden will

Norwegen ist reich an Bodenschätzen, an verschiedenen Orten werden diese bereits gefördert. Die Regierung will den Abbau von Mineralien und Metallen im Land beschleunigen – und hat dabei besonders Seltene Erden im Blick. Doch an den Regierungsplänen gibt es auch Kritik. 

Norwegen ist reich. Unter seiner Erde schlummern nicht nur große Reserven an Öl und Gas, sondern auch an mineralischen Rohstoffen. Das Land verfügt über bedeutende Vorkommen an Eisenerz, Kupfer, Zink, Titan, Nickel und Kobalt sowie Industriemineralien wie Quarzit, Feldspat oder Kalk. Nahe des Weilers Fen in der südnorwegischen Telemark, sind Geologen zudem auf ein gewaltiges Feld mit Seltenen Erden gestoßen. Schätzungen haben ergeben, dass es sich dabei um das größte Vorkommen in Europa handeln könnte. Demnach könnte das Feld allein bis zu einem Viertel des europäischen Bedarfs Seltener Erden decken.   

Seltene Erden
Zu den Seltenen Erdelementen gehören 17 verschiedene Elemente des Periodensystems, aus der Gruppe der Übergangsmetalle und Lanthanoide. Viele von ihnen kommen, entgegen ihrer Bezeichnung, vergleichsweise häufig in der Erdkruste vor. Ihre Förderung ist aber nur an Stellen möglich, an denen sie in ausreichender Konzentration vorhanden sind. Seltene Erden sind nicht nur wichtig für den Bau von Halbleitern und Computern, sie spielen auch eine entscheidende Rolle in der Energiewende: Für den Bau von Batterien oder Solarzellen sind Seltene Erden derzeit unabdingbar. 

Der Bergbau und vor allem die Förderung Seltener Erden hat inzwischen nicht mehr nur eine rein wirtschaftliche, sondern auch eine politische Dimension. Lange ließ sich Europa von den Rohstoffriesen Russland und China mit Seltenen Erden beliefern oder mit Produkten, die solche enthielten. Mit seiner aktuellen Strategie des „De-Riskings“ will der Kontinent jetzt unabhängiger von Lieferketten und anderen Erdteilen werden – besonders von jenen, die es nicht so haben mit der Demokratie. Halbleiter für Computer, Batterien oder Solarzellen sollen jetzt nach Möglichkeit wieder vermehrt in Europa produziert, die nötigen Rohstoffe auf dem Kontinent gefördert werden. Da kommen Funde wie im norwegischen Fen wie gerufen.

Neue Strategien der norwegischen Regierung

Diskussionen um den Bergbau und die Eröffnung neuer Minen oder Abbaugebiete ebbten in der Vergangenheit immer wieder durchs Land. Widerstand von Anwohnern und Naturschützern und vor allem der vergleichsweise bequeme Zugang zu Öl und Gas, der den Wohlstand des Landes sichert, führten dazu, dass Norwegen im Vergleich zu früheren Jahrhunderten, keine große Bergbaunation mehr ist. Der norwegische Bergbau- und Mineralsektor verzeichnete im Jahr 2022 einen Gesamtverkaufswert von etwas über 13 Mrd. NOK – beim Öl- und Gassektor war es rund das 150-Fache.

Die aktuelle geopolitische Situation sowie die angestrebte Energiewende haben dem Thema Mineralgewinnung in Norwegen jedoch erneuten Auftrieb verliehen und die Regierung hat reagiert: Im Juni 2023 veröffentlichte das norwegische Ministerium für Wirtschaft und Fischerei eine neue Mineralstrategie. Ein halbes Jahr zuvor hatte der Minister Jan Christian Vestre eine gemeinsame Strategieempfehlung der mächtigen norwegischen Verbände NHO, LO, Norsk Industri, Norsk Arbeidsmandsforbund und Norsk Bergindustri erhalten, welche einen Fokus auf die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Seltenerdmetallen in Norwegen vorschlägt.

Grösser, grüner, schneller

Laut seiner neuen Mineralstrategie soll Norwegen den Abbau von Mineralen beschleunigen und zusätzliche internationale Partnerschaften schmieden. Darüber hinaus soll die Mineralindustrie einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft im Land leisten, einen guten Zugang zu privatem Kapital haben und mit einem Fokus auf Klima und Umwelt die Nachhaltigste der Welt werden. Neue Fördertechnologien wie unterirdische Förderung anstatt großer Gruben sollen dabei helfen.

Auch in anderen Strategiepapieren der Regierung, kommt der Mineralgewinnung eine besondere Rolle zu. So sieht der 2022 vorgestellte und dieses Jahr aktualisierte „Fahrplan für einen grünen industriellen Aufschwung“, welcher den Weg Norwegens in eine grüne Industriezukunft skizziert, den Aufbau einer kompletten Batterie-Wertschöpfungskette inklusive Abbau von Rohstoffen, also Metallen bzw. Seltenen Erden, vor.  

Die norwegische Bergbau-Landschaft

Obwohl in letzter Zeit vor allem Seltene Erden immer wieder im Gespräch sind, werden sie in Norwegen derzeit (noch) nirgendwo abgebaut. Unternehmen holen im ganzen Land jedoch eine Vielzahl anderer Metalle und Mineralien aus dem Boden, hier ein Überblick über größere Akteure und Minen:  

  • Brønnøy Kalk AS baut bei Brønnøysund Kalk ab
  • Elkem baut Quarzit ab bei Bodø und in Tana. Die Mine in Tana, ganz im Norden des Landes, ist die größte Quarzitmine der Welt. Hauptaktionärin von Elkem ist die China National Blue Star.
  • Franzefoss Minerals betreibt den Abbau von Kalk und Dolomit in Ballangen, Hole und Eydehavn.
  • Nordic Mining ASA ist zusammen mit seinen Tochtergesellschaften in der Exploration, Gewinnung und Produktion von Industriemineralien und Metallen, darunter Rutil, Granat und Quarz, tätig. Im westnorwegischen Førdefjord betreibt Nordic Mining voraussichtlich ab 2024 eine Mine für Titanoxid.
  • Rana Gruber betreibt fünf Eisenerzminen im Dunderland-Tal im Nordland-Fylke
  • Sydvaranger AS besitzt einen Eisenerztagebau in Nordnorwegen nahe der russischen Grenze, ist jedoch nicht aktiv. Das Unternehmen wurde kürzlich von der Schwedischen Grammex AB übernommen und soll seine Schürftätigkeiten bald wieder aufnehmen.
  • Norge Mining verfügt über 61 Schürflizenzen in den westnorwegischen Gebieten Rogaland und Hordaland und will vor allem Vanadium, Titanerz und Phosphate fördern.
  • Norsk Stein betreibt in Tau, Dirdal, Larvik und Jelsa Steinbrüche – in Jelsa den größten Europas. Die Firma baut Granodiorit, Quarzdiorit, Syenit, Granit und Gneis ab und gehört den beiden deutschen Unternehmen Heidelberg Materials und Mibau Stema.
  • Nussir ASA will zwei Kupferminen im nordnorwegischen Hammerfest betreiben.
  • Titania AS fördert im norwegischen Tellnes im Rogaland das weltweit größte Vorkommen an Titanerz.

Branche unter Beobachtung

Gegen den Bergbau und seine Praktiken regt sich in Norwegen regelmäßig Widerstand. Dieser geht oft von Umweltverbänden oder von der lokalen Bevölkerung aus, die durch den Bergbau betroffen ist. Nicht selten beschäftigt dies auch die Justiz. Derzeit läuft etwa ein Verfahren vor dem Landgericht in Oslo über die geplante Entsorgung von Bergbau-Aushub im Førdefjord, im Westen des Landes. Der Fall wurde medial prominent begleitet, die Branche landet immer einmal wieder im öffentlichen Fokus.    

Besonders umstritten ist das sogenannte Deep Sea Mining also Bergbau am Meeresgrund. Fast gleichzeitig mit der neuen Mineralstrategie hat die Regierung angekündigt, in Nordnorwegen ein Meeresgebiet von 281´200 Quadratkilometern für den Tiefessebergbau freigeben zu wollen – das entspricht einem Gebiet fast so groß wie Italien. Norwegen wäre damit das erste Land, das Tiefseebergbau erlaubt. Diese Pläne führten zu teils heftiger Kritik nicht nur von Umweltschützern, sondern auch aus Kreisen der Forschung und von politischen Parteien. Die Regierung ihrerseits argumentierte unter anderem mit der wichtigen Rolle, die Rohstoffe vom Meeresgrund für die Energiewende spielen. Ob und zu welchem Grad Tiefseebergbau in Norwegen tatsächlich erlaubt wird, muss nun das Parlament entscheiden – es wird den Vorschlag der Regierung voraussichtlich im Januar 2024 debattieren.

Quellen:

Businessportal Norwegen:
https://businessportal-norwegen.com/2023/06/22/norwegen-praesentiert-neue-mineralien-strategie/?no_cache=1687416317

Deutschlandfunk:
https://www.deutschlandfunk.de/norwegen-streit-um-foerderung-von-bodenschaetzen-dlf-b33f95d0-100.html

Miljødirektoratet:
https://www.miljodirektoratet.no/aktuelt/nyheter/2019/januar-2019/forbud-mot-sjodeponi–utredning-av-konsekvenser/#:~:text=Milj%C3%B8direktoratet%20har%20utredet%20konsekvensene%20for%20milj%C3%B8%20og%20samfunn,%C3%A5%20deponere%20avgangsmassene%20i%20sj%C3%B8%20eller%20p%C3%A5%20land.

Norges Geologiske Undersøkelse:
https://www.ngu.no/geologiske-ressurser/mineraler

https://www.ngu.no/geologiske-ressurser/sjeldne-jordarter

Norsk Industri:
https://www.norskindustri.no/bransjer/bergindustrien/lanserer-strategi-om-sjeldne-jordartsmetaller/

NRK:
https://www.nrk.no/nordland/flertall-pa-stortinget-for-a-apne-for-gruvedrift-pa-havbunnen-1.16663872

https://www.nrk.no/vestland/overraskande-vending_-dommen-i-fjordsoksmalet-vert-utsett-1.16644864

https://www.nrk.no/vestfoldogtelemark/fersk-rapport-stotter-frykt-for-fensfeltets-sikkerhet-1.16664102

Regjeringen:
https://www.regjeringen.no/no/dokumenter/norges-mineralstrategi/id2986278/