Deutschlands Erfolgsmodell bei der Berufsausbildung

Korporativ organisierte Ausbildung in der Industrie und an Schulen: Das deutsche Ausbildungsmodell bietet Auszubildenden praktische Einblicke in das Berufsleben und damit größere Erfolgschancen auf dem Arbeitsmarkt.

Frühe Einblicke ins Berufsleben

Die sogenannte duale Ausbildung trägt nicht nur zur erfolgreichen wirtschaftlichen Lage und einem großen Exportüberschuss bei, sondern sorgt für eine relativ geringe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen bis zu 25 Jahren im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Im September 2017 hatte Deutschland mit 8,1 Prozent nach der Schweiz die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in Europa, während Norwegen vergleichsweise bei 10,2 Prozent lag.

Verglichen mit der Berufsausbildung in den meisten anderen europäischen Ländern ist das deutsche Modell einzigartig, wenn auch einfach konzipiert: Lehrlinge verbringen einen Großteil ihrer Ausbildung in einem Unternehmen und nicht auf der Schulbank, und das bereits ab dem ersten Tag der Ausbildung. Die berufliche Ausbildung ist korporativ organisiert, das heißt sowohl Staat als auch Industrie sind an der Gestaltung und Umsetzung der Ausbildungsprogramme beteiligt.

Wie bei der regulären Arbeitssuche müssen Auszubildende selbst ein adäquates Unternehmen finden, bei dem sie sich für einen Ausbildungsplatz bewerben. Sie erhalten dann eine Vergütung, die mit Fortschreiten der Ausbildung steigt. In dem ausgewählten Lehrbetrieb verbringen sie durchschnittlich drei bis vier Tage einer Arbeitswoche; die verbleibende Zeit (ca. 8-12 Stunden) werden die Lehrlinge in der Berufsschule in allgemeinen und berufsbezogenen Fächern unterrichtet. Die Ausbildung dauert je nach gewähltem Beruf und Schulabschluss zwei bis dreieinhalb Jahre.

Mehr Theorie im norwegischen Modell

In Norwegen ist die Berufsausbildung weitaus theoretischer angelegt. Im ersten Jahr der Sekundarstufe II wählen die Schüler zwischen verschiedenen studienvorbereitenden Profilen wie Musik und Theater, Kommunikation und Medien oder Sport sowie einer berufsbildenden Ausrichtung ohne Hochschulreife. Die ersten beiden Jahre der Berufsausbildung finden ausschließlich in der Schule statt, und bestehen zum großen Teil aus theoretischem Unterricht. Erst nach zwei Schuljahren sammeln die Auszubildenden für zwei weitere Jahre Praxiserfahrung in einem Unternehmen, bevor sie den Fachbrief oder die Gesellenprüfung ablegen können.

Nach Auffassung der Auszubildenden und Arbeitgebervertreter werden die für das tatsächliche Berufsleben relevanten Kenntnisse in dieser Form der Ausbildung nicht ausreichend vermittelt. Stattdessen profitieren sowohl Betriebe als auch Auszubildende von einem frühen praktischen Zugang zum jeweiligen Fachberuf – so wie es im deutschen dualen Ausbildungsmodell der Fall ist. Auf internationaler Ebene besteht Konsens darüber, dass dieses Modell einen nahtloseren Übergang von der Schule ins Berufsleben ermöglicht, und die Ausbildungsinhalte an die in der Industrie erforderlichen Kompetenzen besser angepasst sind.

Herausforderungen in beiden Ländern

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt jedoch, dass in Deutschland und Norwegen nur 38 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre in dem vorgesehenen Zeitraum abschließen. Damit liegen beide Länder unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Der Anteil der Schüler, die sich für einen berufsorientierten Bildungsweg entscheiden, liegt in Norwegen jedoch deutlich höher als in Deutschland. Auf den folgenden Seiten wird eingehender erläutert, weshalb die Bewerberzahlen für Ausbildungsplätze in Deutschland trotz der großen internationalen Anerkennung des Ausbildungsmodells seit langem rückläufig sind.

Text: Hilde Bjørk, Übersetzung: Julia Pape

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