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Sowohl in Deutschland als auch in Norwegen werden die Vorgaben im Bereich Kunststoffrecycling zusehends strenger, was insbesondere die Industrie vor Herausforderungen stellt. Beide Länder folgen damit EU-Richtlinien; ihrer Rollen in Europas Kunststoff-Recyclingkette sind jedoch sehr unterschiedlich.
In Norwegen ist von 1. Januar 2023 eine Verordnung zur „Änderung der Abfallverordnung“ (Sortierung und stoffliche Verwertung von Bioabfällen und Kunststoffabfällen) in Kraft getreten.
Ziel der Verordnung ist, das Recycling von Haushalts- und Gewerbeabfällen zu erhöhen, um eine bessere Ressourcennutzung der Abfälle zu erreichen, die Umwelt zu schützen und die Treibhausgasemissionen zu verringern.
Zum ersten Mal wurde die Trennung an der Quelle rechtlich definiert als „jede Form der Trennung von Abfällen, wo immer sie anfällt“. Die Änderungen der Verordnung haben dazu geführt, dass Kunststoffabfälle sowie Lebensmittelabfälle aus Haushalten im ganzen Land getrennt werden müssen. Die Änderungen wirken sich auch auf Unternehmen aus, da auch sie haushaltsähnliche Abfälle sortieren müssen.
Hersteller in der Pflicht
Es treten nicht nur Änderungen in der Abfallverordnung in Kraft. Auch bei den Anforderungen an die Herstellerverantwortung für Getränkeverpackungen gibt es Änderungen.
Diese wirken sich auf eine große Zahl von Unternehmen aus. Lebensmittelabfälle, Kunststoffabfälle (nicht nur Verpackungen), Gartenabfälle sowie Kunststoffe aus der Landwirtschaft müssen ab dem neuen Jahr nach Quellen sortiert werden. Haushaltähnliche Kunststoffabfälle, die recycelt werden können, werden ausgesondert.
Auch Deutschland verschärft seine Plastik-Vorschriften regelmäßig. Im Januar 2022 zum Beispiel verbot Deutschland „Leichte Plastiktragetaschen“, Wattestäbchen, Becher, Einwegbesteck und mehr. Diese Verbote kamen als Reaktion auf EU-Richtlinien. Auch das norwegische Ministerium für Klima und Umwelt hat die verschiedenen Richtlinien als EWR-relevant bewertet und sich für deren Umsetzung in Norwegisches Recht entschieden.
Die Kunststoffproduktion steigt
Seit 1950 ist die Kunststoffproduktion stetig gestiegen, mit einem Allzeithoch von 390,8 Millionen Tonnen im Jahr 2021. Die EU hat sich mit mehreren Richtlinien intensiv um die Kontrolle und Reduzierung des Kunststoffverbrauchs ihrer Mitgliedstaaten bemüht, um die Umweltfolgen von Plastik zu begrenzen.
Im Jahr 2016 wurden in Norwegen nur 23% der Kunststoffabfälle aus Haushalten und Gewerbe stofflich verwertet. Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, 70% aller Verpackungen zu recyceln. Der damalige Staatssekretär Aleksander Øren Heen erklärte am 8. Juni 2022, man müsse sicherstellen, dass aus alten Verpackungen neuer Plastik statt Abfall wird.
Deutschland steht vor ähnlichen Herausforderungen: Nur rund ein Drittel des Plastiks, der von Haushalten als Abfall anfällt, wurde 2019 überhaupt nach Quellen sortiert – die stoffliche Verwertung dürfte tiefer liegen. Deutschland und Norwegen fahren deshalb eine ähnliche Politik, was den Umgang mit Plastik angeht.
Herausforderungen für die Industrie
Aus privaten Haushalten wurden in Deutschland im Jahr 2019 33% der Kunststoffabfälle recycelt. Gleichzeitig wurden 47% von Kunststoffabfällen aus dem gewerblichen Unternehmen recycelt. Der Grund für diese unterschiedlichen Quoten liegt laut Umweltbundesamt darin, dass Kunststoffe in der Industrie meist sauber und sortenrein anfallen, in Haushalten jedoch verschmutzt und vermischt.
Hinter dieser hohen Recyclingquote der Industrie steckt laut TYLER Innovative Packaging allerdings ein größerer Aufwand. In der Herstellung von Produkten kommen vom Produktionsstart bis zum Ende meist verschiedene Kunststofftypen aus verschiedenen Polymertypen zur Anwendung. Diese können nicht zusammen recycelt werden, da sie bei unterschiedlichen Temperaturen schmelzen. Daher müssen diese vor dem Recycling zunächst aufwendig getrennt werden, was in einem Produktionsbetrieb zusätzliche Schritte verlangt. Das bedeutet einen Zeit- und Kostenaufwand.
Ein Lösungsansatz wäre hier, den Einsatz vieler verschiedener Kunststofftypen zu reduzieren. Doch das verlangt zusätzliche Forschung – es müssten Kunststoffe entwickelt werden, die mehrere andere gleichzeitig ersetzen können.
Laut Umweltbundesamt, bietet es sich für die Verbesserung der Recyclingquote an, Altkunststoffe aus dem Restmüll „abzuschöpfen“ und einer möglichst hochwertigen werkstofflichen Verwertung zuzuführen. Diese Verwertung sei vorwiegend die umweltgünstigste Entsorgungsvariante.
Der Müll geht ins Ausland
Nicht nur die Produktion von Kunststoffen in die Industrie, sondern auch der Umgang mit Plastikabfällen sind vom Gesetz geregelt. Hier geht es insbesondere um die etablierte Praxis westlicher Länder, ihre Plastikabfälle in Drittstaaten, mehrheitlich in den Globalen Süden, auszuführen. Dies wird auch „dumping“ oder „waste dumping“ genannt. Gestützt auf das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung hat die EU-Kommission unsortierte Kunststoffexporte verboten. In Norwegen ist das Übereinkommen am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Das Land hatte 2018 selbst angestrengt, dass Plastikabfall in die Basler Konvention aufgenommen wird.
Norwegen selbst exportiert fast alle seine Kunststoffabfälle aus den Haushalten nach Deutschland. Der Abfall wird dabei mittels Tracking verfolgt, um sicherzustellen, dass er regelkonform transportiert und entsorgt oder wiederverwertet wird. Bei Norwegens Industrieabfällen sieht es leicht anders aus: Rund die Hälfte bleibt im Land und wird recycelt. Zumindest ein Teil der anderen Hälfte dürfte ebenfalls in Deutschland landen.
Generell fällt ein Großteil des Kunststoffrecyclings in Europa auf Deutschland. Ob das Land jedoch den stetig wachsenden Berg an Plastikmüll aus allen Ländern künftig noch bewältigen kann, ist aufgrund Begrenzungen an Platz und Infrastruktur fraglich. Bereits heute exportiert Deutschland eine beachtliche Menge an Kunststoffabfall weiter: Im Jahr 2020 waren es Abfälle im Materialwert von rund 254 Millionen Euro – kein anderes EU-Land hatte so große Exporte von Plastikmüll.
Der größte Teil davon ging bis vor einigen Jahren nach China. Seit 2018 gelten dort jedoch Beschränkungen in der Einfuhr von Kunststoffabfällen. Insbesondere Nicht-Recycelbare dürfen nicht mehr importiert werden. Nun sind die Niederlande und Malaysia die größten Direktabnehmer deutscher Kunststoffabfälle.
Zusammenarbeit wichtig
Durch die neuen Regelungen wird ersichtlich, dass sowohl Norwegen als auch Deutschland versuchen, den nicht zwingenden Gebrauch von Kunststoff zu beschränken, sowie die Recyclingquote anzuheben. Die gute Zusammenarbeit beider Länder in diesem Bereich ist also wichtig; besonders für Norwegen, das in Sachen Kunststoffabfälle auf Deutschland als Importeur angewiesen ist.