Due Diligence in der Lieferkette – in Norwegen wie in Deutschland

SANDS Advokatfirma DALegal Member der AHK Norwegen


In Norwegen gilt seit Mitte 2022 ein Lieferkettengesetz mit neuen Pflichten auch für ausländische Unternehmen. Lesen Sie hier, welche Unternehmen betroffen sind und welche Verpflichtungen für diese Unternehmen damit einhergehen.

In Norwegen und Deutschland wurden Gesetze erlassen, die Unternehmen neue Verpflichtungen in Bezug auf die Kontrolle ihrer Lieferketten auferlegen. Das seit dem 01. Juli 2022 geltende norwegische Transparenzgesetz („åpenhetsloven“)verfolgt dabei im Kern dieselben Ziele wie das – erst am 01. Januar 2023 für größere Unternehmen in Kraft tretende – deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten(„Lieferkettengesetz“).

Indem Unternehmen verpflichtet werden, ihren eigenen Geschäftsbereich sowie ihre Lieferketten auf mögliche Risiken für Verletzungen von Menschenrechten zu untersuchen und geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen, sollen mittel- bis langfristig weltweit Menschenrechtsstandards angehoben werden. Denn, so die Idee, dürfte es für Lieferanten aus aller Welt auch wirtschaftlich unvernünftig werden, keine hinreichenden Menschenrechtsstandards zu gewährleisten, wenn dies Lieferverträge mit zahlungsstarken europäischen Unternehmen unwahrscheinlicher werden lässt.

Für wen gilt das Transparenzgesetz?

Erfasst werden vom norwegischen Transparenzgesetz zunächst alle „größeren“ in Norwegen ansässigen Unternehmen, wobei auf die Bedeutung des Wortes „größer“ später in diesem Blog-Eintrag eingegangen wird.

Über die norwegischen Unternehmen hinaus, erstreckt sich der Anwendungsbereich des Transparenzgesetzes zudem auch auf größere ausländische Unternehmen, die in Norwegen Waren oder Dienstleistungen anbieten und nach der internen norwegischen Steuergesetzgebung steuerpflichtig sind. Zu der Bedeutung des Wortes „intern“ führt die zuständige Aufsichtsbehörde („Forbrukertilsynet“) aus, dass die Frage der Steuerpflicht nach rein norwegischen Regeln, nicht aber nach bilateralen oder anderen internationalen Steuerabkommen beurteilt werden soll.

Es müssen daher drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Verpflichtungen des norwegischen Transparenzgesetz ein nicht-norwegisches Unternehmen treffen:

Steuerpflichtigkeit in Norwegen

Zieht man nun das norwegische Steuergesetz zu Rate, so ergibt sich eine Steuerpflicht für ausländische Unternehmen beispielsweise dann, wenn sie Einnahmen aus Tätigkeiten erzielen, die in Norwegen betrieben oder aus Norwegen geleitet werden. Dafür ist eine geographische Verbindung nach Norwegen erforderlich, wie beispielsweise ein Büro oder ein anderweitiger fester Geschäftssitz. Eine in Norwegen registrierte Tochtergesellschaft, die ein Büro betreibt, zählt hierzu jedoch nicht. Denn handelt es sich bei einer solchen Tochtergesellschaft ja um ein eigenständiges Steuersubjekt.

Als Richtlinie kann also festgehalten werden, dass für dieses Kriterium im Regelfall ein Blick auf die tatsächliche Anwesenheit von Betriebsstätten, Mitarbeitern und Repräsentanten des Unternehmens in Norwegen maßgeblich sein wird.

Anbieten von Waren oder Dienstleistungen in Norwegen

Weniger Kopfschmerzen bereiten sollte die Frage, ob das Unternehmen Waren oder Dienstleistungen in Norwegen anbietet. Aufmerksamen Leser*innen des Transparenzgesetzes wird dabei auffallen, dass zwischen den Waren und Dienstleistungen statt oder das norwegische Wort für und steht. Die Aufsichtsbehörde hat jedoch bereits klargestellt, dass sie dies als redaktionellen Fehler des Gesetzgebers deutet – maßgeblich ist also das oder.

Im Übrigen dürfte die Anwendung dieses Kriterium nur für den digitalen Waren- oder Dienstleistungsbereich eine gewisse Herausforderung darstellen. Für diesen Bereich wäre es beispielsweise ein für ein Anbieten in Norwegen sprechendes Kriterium, wenn sich einer norwegischsprachigen Website oder einer Website mit norwegischer Domain bedient wird. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach den Waren oder Dienstleistungen ja nur, wenn bereits die unter 1.1 angesprochene erforderliche geographische Verbindung vorliegt, sodass es an diesem Kriterium nicht all zu oft scheitern sollte.

„Großes“ ausländisches Unternehmen

Dass in einem Land mit rund 6-7% der Bevölkerung von Deutschland andere Maßstäbe für die Größe von Unternehmen gelten, dürfte nicht all zu überraschend sein. Welche moderate Größe jedoch ausreicht um als „größer“ im norwegischen Verständnis zu gelten, könnte hingegen doch die eine oder andere Augenbraue heben.

Das norwegische Transparenzgesetz versteht als „größer“ nämlich alle Unternehmen, die unter § 1-5 des norwegischen Rechnungslegungsgesetzes („regnskapsloven“) fallen oder die von den folgenden drei Grenzwerten zum Zeitpunkt des (letzten) Jahresabschlusses zumindest zwei überschreiten:

  • Umsatzerlöse von 70 Millionen NOK;
  • Bilanzsumme von 35 Millionen NOK;
  • Zahl der Beschäftigten im Geschäftsjahr entspricht 50 Vollzeitstellen.

Diese niedrigen Schwellen stehen im deutlichen Kontrast zum deutschen Lieferkettengesetz, welches ab 01. Januar 2023 lediglich Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten verpflichtet und erst ab dem 01. Januar 2024 auch „kleinere“ Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten erfasst.

Was regelt das Transparenzgesetz?

Eine gute Nachricht zumindest für alle zusätzlich auch vom deutschen Lieferkettengesetz betroffenen Unternehmen ist es, dass die Verpflichtungen aus dem norwegischen Transparenzgesetz in inhaltlicher Sicht nicht signifikant von denen des deutschen Konterparts abweichen.

Die betroffenen Unternehmen sind verpflichtet, Due-Dilligence-Prüfungen vorzunehmen, in welchen zu analysieren ist, welche Risiken für oder Verletzungen von Menschenrechten das eigene Unternehmen entweder verursacht oder zu welchen es beiträgt. Ebenso von dieser Analyse umfasst sein müssen die Bedingungen bei Geschäftspartnern in der Lieferkette, die direkt mit den Produkten oder Dienstleistungen des betroffenen Unternehmens verbunden sind.

Wie diese Analyse im Detail zu erfolgen hat, ist dem eher wortkargen norwegischen Gesetz nicht zu entnehmen. Es verweist stattdessen auf die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen, was insbesondere ausländischen Unternehmen dabei helfen sollte, die gesetzlichen Anforderungen einzuhalten. Auch das in Wortanzahl beinahe viermal längere deutsche Gesetz dürfte eine nützliche Quelle dafür sein, wie eine menschenrechtliche Risikoanalyse ausgeführt werden könnte.

Zusätzlich sieht das norwegische Gesetz – anders als das Lieferkettengesetz – einen Informationsanspruch von Jedermann gegen das Unternehmen in Bezug auf dessen Umgang mit tatsächlichen oder möglichen Menschenrechtsrisiken vor. Dieser Anspruch ähnelt auch in Bezug auf seine Schranken den – freilich nur gegen Behörden gerichteten – deutschen Informationsfreiheitsgesetzen. Grund zur Sorge vor solchen Informationsansprüchen sollte aber nur eingeschränkt bestehen. Denn besteht ohnehin die Pflicht, die Ergebnisse der Due-Dilligence-Prüfungen zu veröffentlichen. Wer dieser Veröffentlichungspflicht ausfüllend nachkommt, dürfte in Bezug auf die allermeisten Informationsanfragen einfach auf den veröffentlichten Bericht verweisen dürfen. In den wohl seltenen Fällen weitergehender Informationsanfragen sollte vor Auskunftserteilung gut geprüft werden, ob eine Pflicht zur Herausgabe in Hinblick auf möglicherweise betroffene Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten besteht.

Sowohl beim norwegischen Transparenzgesetz wie auch beim deutschen Lieferkettengesetz ist zu erwarten, dass die betroffenen – größeren – Unternehmen ihre Verpflichtungen an ihre Zulieferer durchreichen. Daher empfehlen wir auch nicht unmittelbar vom Gesetz betroffenen Unternehmen, unverzüglich Schritte einzuleiten, um das eigene Risiko in Hinblick auf Menschenrechte in der Lieferkette ermitteln zu können.