Ein Haus mit Geschichte

Seit 1997 hat die AHK Norwegen ihren Sitz in der neoklassizistischen Villa am Drammensveien 111B in Oslo. Vor fünf Jahren wurde das Ensemble aus Haupt- und Nebengebäude von Grund auf renoviert und um einen modernen Anbau erweitert. Seitdem besteht die Möglichkeit neben repräsentativen Empfängen und Festen auch Räumlichkeiten für Seminare und Konferenzen zu nutzen.  

Der Satz „Wir begrüßen Sie in der Villa der AHK Norwegen“ wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten oft gesprochen und viele Gäste gingen seither ein und aus. Die Geschichte des Grundstücks reicht jedoch viel weiter zurück. Hätten Sie beispielsweise gedacht, dass hier die Geliebte von Edvard Munch aufwuchs? 

Christiania, wie Oslo zwischen 1624 und 1925 genannt wurde, bestand im 17. Jahrhundert aus mehreren Landsitzen und Einfamilienbetrieben, bevor im 18. Jahrhundert viele dieser Landsitze von reichen Kaufleuten aufgekauft wurden. Teile der Flächen wurden verpachtet, andere Bereiche eingezäunt und bebaut. Im Jahr 1754 pachtete der Kaufmann Fredrik Clausen das Grundstück, auf dem heute die AHK Norwegen ihren Sitz hat, und verwandelte es in einen eleganten Vergnügungspark, dem er den Namen Fredriksberg gab.  

Vom Bürgermeister zur Geliebten Munchs 

70 Jahre später kaufte das Areal Christianias damaliger erster Bürgermeister, der Kaufmann und Reeder Andreas Tofte. 1870 übernahm der Weingroßhändler Peter Anders Larsen das Anwesen. Larsen verstarb sechs Jahre später, seine Kinder wuchsen jedoch gemeinsam mit Ihrer Mutter hier auf. Tulla Larsen war das elfte und somit zweitjüngste Kind der Familie. An ihrem 29 Geburtstag traf Tulla Larsen den damals 35-jährigen Edvard Munch. Beide verliebten sich ineinander und führten in den darauf folgenden vier Jahren ein von Eifersucht, Paranoia und Unruhe geprägtes Leben. Munch malte Tulla auf verschiedenen Bildern, die neben vielen anderen Gemälden des Künstlers im neuen Osloer Munch-Museum zu sehen sein werden. 

Norwegens erste moderne Wassertoilette 

Im Jahr 1890 wechselte das Grundstück erneut den Besitzer. Der Rechtsanwalt und oberste Gerichtshof Ingar Nilsen kaufte das Areal der Witwe Larsen, ließ das damalige Hauptgebäude abreißen, um stattdessen eine vom Architekten Henrik Nissen gezeichnete Drachenvilla errichten zu lassen. Das Gebäude war mit Norwegens erster moderner Wassertoilette ausgestattet. Die Tochter Nilsens heiratete später Johan Grundt Tanum, den Gründer der bekannten Buchhandlung. Die Drachenvilla wurde 1939 wieder abgerissen. 

Vom Holzhaus zur Backsteinvilla 

Die Backsteinvilla, wie sie noch heute am Drammensveien 111B steht, wurde 1912 als Repräsentanz für den Reeder Thomas Fearnley jr. errichtet. Sie wurde vom Architekten Thorvald Astrup als neoklassizistische Villa mit Elementen des Jugendstils entworfen. Thomas Fearnley jr. war eine wichtige Persönlichkeit in der Entwicklung der norwegischen Schifffahrtsindustrie, er trug unter anderem zum Zustandekommen der Tonnageabkommen zwischen Norwegen und Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs bei. Darüber hinaus bekleidete Fearnley unzählige Ämter in verschiedenen Organisationen und Unternehmen.  

Residenz – Marine-Hauptquartier – DDR-Botschaft 

In den 1930er-Jahren bewohnte die Familie des Unternehmers und späteren Generalkonsuls Alf Richard Bjercke die Villa. Auch Bjercke hatte viele Positionen in der norwegischen Wirtschaft und Gesellschaft inne, so war er unter anderem Leiter des norwegischen Leichtathletikverbandes.  

1941 wurde die Villa vom Deutschen Reich beschlagnahmt und zu einem Marine-Hauptquartier umgewandelt. Nach dem Krieg kehrte Bjercke in das Haus zurück, welches er 1967 an die DDR-Handelsdelegation verkaufte. Sechs Jahre später, am 18. Januar 1973, wurde das Gebäude mit dem nebenstehenden Pförtnerhaus als Botschaft der Deutschen Demokratischen Republik in Norwegen offiziell eingeweiht. Gleichzeitig eröffnete Norwegen eine Botschaft in der DDR.  

Mit dem Fall der Mauer und der Auflösung der DDR wurde die Botschaft 1989 geschlossen. Das Anwesen ging in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland über und stand über mehrere Jahre leer. Dank einer Kooperation der Deutschen Botschaft in Oslo und des Auswärtigen Amtes gelang es der Deutsch-Norwegischen Handelskammer im Jahr 1995 die Immobilie zu erwerben. Nach der durch großzügige Spenden von Mitgliedern ermöglichten Renovierung, wurde die Villa am Drammensveien 111B in Oslo am 31. Januar 1997 als Deutsch-Norwegische Handelskammer eingeweiht. 2015 wurde das Ensemble aus Haupt- und Nebengebäude von Grund auf renoviert und um einen von C.F. Møller Architects gezeichneten Anbau erweitert.