EnBW He Dreiht – deutscher Windpark mit norwegischer Beteiligung

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He Dreiht, niederdeutsch für Er dreht – treffender könnte der Name des dritten Windparks der EnBW in der Nordsee nicht sein: Ab Ende 2025 gehen 64 Windräder mit einer installierten Leistung von 960 MW rund 90 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum und 110 Kilometer westlich von Helgoland ans Netz. Mitte März wurde bekannt, dass der norwegische Staatsfond sich als einer der Investoren an dem Projekt beteiligt. Grund genug für uns, bei unserem Mitgliedunternehmen, der EnBW, genauer nachzufragen, wo das Projekt steht. Wir haben ein Interview mit Holger Grubel, Head of Portfolio-Development Offshore Wind bei EnBW, geführt.

AHK Norwegen: Herr Grubel, Norges Bank Investment Management, Verwalter des norwegischen Staatsfonds, GPFG, hat eine Vereinbarung zum Kauf einer 16,6-prozentigen Beteiligung an He Dreiht unterzeichnet. Was bedeutet das für das Projekt bzw. die EnBW, die weiterhin Betreiberin des Projekts bleiben wird?
Holger Grubel: Wir freuen uns über das entgegengebrachte Vertrauen unserer renommierten Co-Investoren und die gemeinsame Zusammenarbeit im Rahmen der weiteren Projektumsetzung. Gemeinsam mit unseren Partnern, Allianz Capital Partners, AIP and Norges Bank Investment Management (je 16,6%) wird EnBW (50,1%) bis Ende 2025 den Bau und die Inbetriebnahme des Offshore-Parks He Dreiht in der Deutschen Bucht umsetzen.

Auch nach Abschluss der Bauphase wird der Park, analog zu den Bestandsparks Hohe See und Albatros durch EnBW-Kollegen betrieben und gewartet.

Holger Grubel, Head of Portfolio-Development Offshore Wind bei EnBW. Bild: EnBW

Gibt es darüber hinaus norwegische Beteiligungen an dem Projekt? Wenn ja, welche Chancen sehen Sie in der Zusammenarbeit?
Ein gutes Beispiel ist hier unser Partner Seaway Offshore Cables, welcher als Teil der in Oslo registrierten Seaway7 Gruppe als EPCI-Contractor die Innerparkverkabelung für He Dreiht realisieren wird. In der Zusammenarbeit schätzen wir dabei nicht nur die langjährige Seaway-Expertise, sondern die gute Zusammenarbeit, welche komplexe Offshore-Wind Projekte wie He Dreiht erst möglich macht.

Ein weiterer wichtiger Kooperationspartner ist die deutsch-norwegische Beratungs- und Klassifikationsgesellschaft DNV, welche 2013 aus dem Zusammenschluss von Det Norske Veritas und Germanischer Lloyd entstand.

Die Windturbinen sollen Ende 2025 in Betrieb genommen werden. Wo steht das Projekt aktuell und was sind die nächsten Schritte?
Unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen mit unserem Partnerkonsortium hat die EnBW die notwendige Investitionsentscheidung (FID) im März 2023 getroffen und damit die Umsetzungsphase des Projektes He Dreiht eingeleitet. Gegenwärtig läuft die Fertigung der ersten Fundamentstrukturen sowie der ersten Komponenten an. Parallel zur laufenden UXO-Kampagne (d.h. die Untersuchung des Baufeldes und ggf. Kampfmittelräumung) hat ebenfalls die Organisation des Baubüros begonnen.

Ab 2024 beginnen dann die ersten Offshore-Arbeiten mit der Installation der Fundamente, gefolgt von der Installation der Turbinen im Folgejahr, damit es dann Ende 2025, gemäß dem namensgebenden, plattdeutschen Ausdruck heißt „Er dreht! – He Dreiht“.

Als einer der ersten förderfreien Offshore-Windparks verdoppelt He Dreiht nahezu auf einen Schlag das Offshore-Portfolio der EnBW von bislang 976 MW. Im Konsortium Norseman wird die EnBW auf die Konzession für Sørlig Nordsjø II bieten. Das würde ein weiteres Wachstum bedeuten. Wie sieht die Zukunftsstrategie der EnBW aus?
Unser Fokus im Ausbau der Offshore-Windparks der EnBW liegt verstärkt in Europa. Mit Norwegen haben wir bereits heute starke Geschäftsbeziehungen wie z.B. im Gashandel und sehen sowohl aufgrund der norwegischen Offshore-Wind Ausbauziele (30 GW bis 2040) als auch den Ausbau der Wasserstoffindustrie die Möglichkeit die Kooperation mit norwegischen Partnern weiter zu vertiefen.

Lage des Offshore-Windparks He Dreiht in der Nordsee. Bild: EnBW

Was sind die Herausforderungen diesbezüglich?
Bereits seit 2008 treibt die EnBW die Entwicklung der Windenergie in Nord- und Ostsee voran. Seit der Inbetriebnahme unseres ersten Offshore-Windparks «Baltic 1»  2011 hat sich nicht nur die Leistung der Turbinen (heute: 15 MW) sondern auch die Dimension der Rotoren verändert. Vergleichen wir beispielsweise den Rotordurchmesser in Baltic 1 (erster EnBW Windpark; 93m) mit den Rotorblättern der Vestas V236 im Windpark He Dreiht (236m), so lässt sich eine Steigerung von über 150% beobachten.

Neben den logistischen und technischen Herausforderungen dieser Skalierung, führt die zeitgleiche Realisierung der globalen Offshore-Wind-Ausbauziele, zu entsprechenden Veränderungen und potenziellen Engpässen in der Offshore-Lieferkette.

Neben der Antizipation und Bewertung fortschreitendender technologischer Entwicklungen (bspw. Zeitpunkt der Marktreife von Floating- und Elektrolysetechnologien), erhöht auch die zeitgleiche Netzintegration einer Vielzahl von Offshore-Projekten in der Nordsee zunehmend die Komplexität. Diese Herausforderung sehen wir auch aktuell in Norwegen.

Mit über 15 Jahre Offshore-Wind Erfahrung in Nord- und Ostsee sowie der Aufstellung als einer der wenigen voll-integrierten Energieversorger kennen wir diese Herausforderung gut. So ist es uns möglich, unser Wissen und unsere Fähigkeiten optimal zu kombinieren, um der bereits geschilderten, wachsenden Komplexität begegnen zu können.

Wie sehen Sie die Entwicklungen des norwegischen Marktes?
Wir freuen uns, dass die Regulatorik am 29.03. veröffentlicht wurde und wir unterstützen die zweistustufige Auswahl mit einer Prä-Qualifikation anhand der Kriterien „Fähigkeit zu liefern“, „Nachhaltigkeit“ und „lokaler Ripple-effekt“. Dadurch wird neben einem CfD-Preis (Contract for Difference) auch die Qualität des Entwicklers in die Bewertung einbezogen und erhöht die Umsetzungssicherheit. Noch ist die finale Regulatorik zum CfD ausstehend, wir hoffen aber, dass die Regierung die finalen Rahmenbedingungen dafür möglichst bald festlegt.

Wie kann sich die EnBW als ausländisches Unternehmen einbringen?
Die EnBW – Energie Baden Württemberg ist ein regionales Unternehmen, daher liegt die Lokalität quasi in unserer DNA. Die Kooperation mit regionalen Partnern ist für uns besonders wertvoll, weshalb wir uns entschlossen haben, für die Vergabe von Sørlig Nordsjø II (SN2) als unser Norseman-Konsortium mit norwegischem Partner und Lieferanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu kooperieren. Damit stellen wir den Ausbau lokaler Kompetenzen sicher.

Die aktuellen Herausforderungen, wie die enorme Skalierung und die Erreichung der internationalen Dekarbonisierungsziele, können aus unserer Sicht nur in Zusammenarbeit mit starken, regionalen Partnern gemeistert werden. 

So ist es uns beispielsweise besonders wichtig, dass im Falle einer Entwicklung der SN2 Fläche durch die EnBW, die wesentliche Entwicklung, der Betrieb und die Wartung aus der Agder-Region heraus koordiniert wird. Die Entwicklung würde etwa 35 Mrd. NOK (3,5 Mrd. €) kosten, wobei mindestens 50 % des Auftragsvolumens durch norwegische Zulieferer übernommen werden soll, um gemeinsames Wachstum zu ermöglichen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch. Weitere Informationen zum Projekt He Dreiht finden interessierte Leser auf der Projektwebsite