Gastkommentar von:
Harry Gatterer, Geschäftsführer der Zukunftsinstitut GmbH
Megatrends sind die größten Treiber des Wandels. Sie beeinflussen nachhaltig alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft, und setzen epochale Veränderungen in Gang. Wir vom Zukunftsinstitut sprechen daher von Lawinen in Zeitlupen. Man muss diese zwölf Megatrends nicht voraussagen, denn sie sind schon da. Ihre wichtigsten Merkmale sind die Halbwertszeit von 50 Jahren sowie ihre Ubiquität, Globalität und Komplexität. Sie sind vielschichtige und mehrdimensionale Trends, erzeugen ihre Dynamik und evolutionären Druck unter anderem auch durch ihre Wechselwirkungen, wie wir mit der Megatrend-Map zeigen.
Auch wenn jeder einzelne Megatrend die Gesellschaft und die Wirtschaft beeinflusst, so gibt es Unterschiede in den Ausprägungen für einzelne Bereiche. Für Unternehmen werden in der näheren Zukunft, den 2020er Jahren, vor allem fünf der zwölf Megatrends besonders wichtig sein:
Neo-Ökologie
Der Megatrend, der die 2020er Jahre prägen wird wie kein anderer. Umweltbewusstsein wird vom individuellen Lifestyle zur gesellschaftlichen Bewegung. Bio-Märkte, EU-Plastikverordnung, Energiewende – der Megatrend Neo-Ökologie erstreckt sich über jeden Bereich unseres Alltags. Ganz gleich ob es sich um individuelle Kaufentscheidungen handelt, gesellschaftliche Werte oder Unternehmensstrategie – selbst wenn nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, entwickelt er sich nicht zuletzt aufgrund technologischer Innovationen mehr und mehr zu einem der wirkmächtigsten Treiber unserer Zeit. Neo-Ökologie sorgt nicht nur für eine Neuausrichtung der Werte der globalen Gesellschaft, der Kultur und der Politik. Dieser Megatrend verändert unternehmerisches Denken und Handeln in seinen elementaren Grundfesten.
Individualisierung
Heute ist der Megatrend Individualisierung noch egoistisch geprägt, er wird sich jedoch in Zukunft Richtung kollektive Intelligenz wandeln, hin zu einer neuen Wir-Kultur. Gemeinschaften, Kollaborationen und Kooperationen rücken statt des Ich in den Fokus. Für Unternehmen kann dies in Bezug auf die Art, wie im Team zusammengearbeitet wird, und wie Organisationen geführt werden, ein Vorteil sein.
Wissenskultur
Der Megatrend Wissenskultur wirkt ungebrochen. In unserer komplexen Welt ist Wissen fluide, es verliert seinen elitären Charakter, deshalb rücken vor allem implizite Fähigkeiten in den Fokus, die es uns erlauben, agil zu sein und auf Veränderungen und Überraschungen schneller zu reagieren. Ganzheitliches, systemisches Denken, Kontextbildung und Beobachtung zweiter Ordnung werden ebenso zu Kernkompetenzen wie zutiefst (zwischen-)menschliche Qualitäten. Gerade für Führungskräfte wird es enorm wichtig hier anzusetzen, um mit der Organisation und den Mitarbeitern zu kommunizieren und lebenslanges Lernen zu fördern, Methoden oder Soft Skills zu vermitteln.
Silver Society
Momentan wird sich stark auf immer neuere Technologien fokussiert. Dadurch geraten ältere Generationen leichter in den Hintergrund. Zu unrecht, denn werden diese noch völlig unterschätzt. Doch auch wenn das Pro-Aging derzeit noch unter Wert geschlagen wird, sind Unternehmer gut beraten, sich dieser Potenziale zu erschließen. Silver Society meint eine Umkodierung der Wirtschaft, die sich im kommenden Jahrzehnt deutlich zeigen wird. Menschen in der zweiten Lebenshälfte haben eine differenzierte Sicht auf Leistung, Wachstum und Innovation als die Jüngeren. Zudem schätzen sie Vorgänge in Unternehmen, nicht zuletzt durch ihre Arbeitserfahrung, anders ein. Diese Routiniers sind ein unglaublicher Erfahrungsschatz, von dem Kollegen profitieren können, und Hort der Gelassenheit. Die Alterung der Gesellschaft wird zwar großteils als Problem betrachtet, sie kann aber, gerade in Unternehmen, zu ihrer Vitalisierung beitragen.
Konnektivität
Wir leben in einem Netzwerk bestehend aus Netzwerken. Jeder ist mit jedem und allem verbunden, immer und überall. Durch diesen Umstand werden wir nicht nur technologisch gefordert, sondern auch sozial, in unserer Haltung und unserem Denken. Das Zusammenspiel zwischen Menschen und Technologie, der Umgang mit den neuen Möglichkeiten, wird sich in den 2020er Jahren richtungsweisend entwickeln, vorausgesetzt, der gegenwärtige technologische Hype wird umfassender begriffen. Denn in kaum einem anderen Bereich der Gesellschaft zeigt sich diese Transformation so deutlich, wie in der vernetzten Wirtschaft. Wenn sich herauskristallisiert, wie und wo wir Technologie wirklich effizient einsetzen können und wollen, ergeben sich hier enorme Potenziale zur Effizienzsteigerung und für neue Geschäftsmodelle.