Billiger, hundertprozentig erneuerbarer Strom, günstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und ein verstärktes Glasfaserkabelnetz machen Norwegen zum idealen Standort für Rechenzentren. Norwegens größter Akteur auf diesem Gebiet, Green Mountain, hat für den deutschen Großkunden Volkswagen Group kürzlich eine neue Anlage in Rjukan eröffnet.
Der Eigentümer von Green Mountain ist Smedvig, ein in Stavanger ansässiges Familienunternehmen, das 1915 gegründet wurde, und seit über 100 Jahren in verschiedenen Industriebereichen, unter anderem Schifffahrt und Offshore, tätig ist. Nach wie vor sind die Investitionen des Unternehmens von Vielfalt geprägt, weisen jedoch zunehmend ein umweltfreundliches Profil auf. Als vor einigen Jahren ein ehemaliges NATO-Lager auf der Inselgruppe Rennesøy außerhalb von Stavanger zum Verkauf stand, setzte das Unternehmen die Idee, in die Rechenzentrenbranche zu investieren, in die Realität um. 2013 eröffnete die Tochtergesellschaft Green Mountain hier ihr erstes Rechenzentrum mit drei lokalen Unternehmen als Kundenstamm. Im darauffolgenden Jahr wurde die zweite Anlage in Rjukan in Telemark fertiggestellt. Am Standort dieses Zentrums wurde kürzlich auch die Anlage in Betrieb genommen, die das Unternehmen im Auftrag von Volkswagen gebaut hat.
Wie kam es, dass Sie innerhalb von wenigen Jahren von drei lokalen Kunden aus der Region Stavanger zu einem Vertrag mit der Volkswagen Group, Deutschlands umsatzstärkstem Unternehmen, gehen konnten?
„Wir haben in den Jahren seit der Gründung eine gute Organisation und umfassendes Know-how aufgebaut, und uns damit zu einem führenden skandinavischen Unternehmen für Rechenzentren entwickelt. Indem die Stromerzeugung auf hundertprozentig erneuerbarer Wind- und Wasserkraft basiert, bietet Norwegen einzigartige Voraussetzungen für den Betrieb von Rechenzentren. Mit Ausnahme von Island sind wir das einzige Land in Europa mit diesem Angebot, das macht Norwegen zu einem äußerst attraktiven Standort. Norwegen hat auch den billigsten Strom in Europa, hierdurch sind wir besonders wettbewerbsfähig. Diese Faktoren waren für Volkswagen wichtige Entscheidungskriterien bei der Suche nach einem Standort für ein neues Rechenzentrum. Darüber hinaus haben wir viel Zeit in die Entwicklung von Innovationen investiert. So waren wir in der Lage, die innovativen technischen Lösungen anzubieten, die Volkswagen suchte“, berichtet Tor Kristian Gyland, CEO von Green Mountain.
Deutschland ist ein wichtiger Markt
Volkswagens neues Rechenzentrum, das Green Mountain in Rjukan bereitgestellt hat, besteht aus zwei Modulen. Sie umfassen die gesamte Infrastruktur, die für die Stromversorgung, Kühlung, Klimaregulierung und Sicherheit erforderlich ist. Gyland erklärt, dass Deutschland einer der Märkte ist, an dessen Erschließung das Unternehmen neben Nordamerika und dem übrigen Europa in den letzten Jahren gearbeitet hat.
„Ein Grund, weshalb wir uns an Deutschland richten, ist das Kosteneinsparungspotenzial für deutsche Kunden. Sieht man sich Deutschlands Strommix im Jahr 2017 an, liegt der erneuerbare Anteil unter 20 Prozent. Ein Rechenzentrum mit einer Kapazität von fünf Megawatt, das seinen Standort nicht in Deutschland, sondern in Norwegen hat, spart jährlich neun Millionen Euro an Stromkosten ein“, erklärt Gyland.
Ein weiteres Argument, mit dem das Unternehmen deutsche Kunden überzeugt, ihre Rechenzentren zu Green Mountain nach Norwegen zu verlagern, ist die rasante Verbesserung des Glasfaserkabelnetzes, die ausgehend von der Datenzentrenstrategie der Regierung in den letzten zwei Jahren stattgefunden hat.
„Die Zeit zur Übermittlung eines Datensignals von Südnorwegen nach Deutschland liegt zwischen zehn und zwölf Millisekunden. Viele Unternehmen, mit denen wir in Deutschland sprechen, glauben, dass die Übermittlungsdauer wesentlich länger ist. Wenn wir die tatsächlichen Zahlen präsentiert haben, werden sie aufgeschlossener, ihre Rechenzentren von Deutschland nach Norwegen zu verlagern“, erklärt er.
Norwegen als Nation der Rechenzentren
Im Februar 2018 hat die Regierung ihre Rechenzentrenstrategie „Norwegen als Nation der Rechenzentren“ vorgelegt, die feststellt, dass die Branche das Potenzial besitzt, künftig ein wichtiger Wirtschaftszweig für das Land zu werden. In der Strategie werden neue Rahmenbedingungen vorgeschlagen, um das Wachstumspotenzial dieses Wirtschaftszweigs zu fördern. Laut Gyland war diese Strategie sehr wichtig für die Branche, möglicherweise sogar der Auslöser für das Wachstum, das sie derzeit erlebt, da die Kunden der Rechenzentren mit langen Vertragslaufzeiten von zehn bis fünfzehn Jahren investieren. Vorhersehbarkeit durch gute Rahmenbedingungen ist daher sehr wichtig.
„Die erste für uns wichtige Maßnahme, die wir im Rahmen der neuen Rechenzentrenstrategie der Regierung erreichen konnten, war, dass die Rechenzentrenbranche mit der energieintensiven Branche, die vergünstigt Strom erhält, gleichgestellt wurde. Hierin lag für die energieintensive Branche zehn Jahre lang ein Wettbewerbsvorteil. Ein weiterer wichtiger Faktor war, dass in der Grundsteuer der Anteil für Betriebsmittel gestrichen wurde. Dies ist eine Art von Energiesteuer, die vor einigen Jahren eingeführt wurde. Hiervon wären wir sehr stark betroffen gewesen, denn die Vermögenswerte, die ein Rechenzentrum umfasst, sind sehr groß. Der Grundsteueranteil für Betriebsmittel stellte einen Risikofaktor dar, deswegen entschieden sich einige Unternehmen gegen Norwegen und gingen stattdessen nach Schweden und Dänemark, wo es diese Steuerauflagen nicht gab“, so Gyland.
Grüne Zukunft
Nach wie vor ist die Rechenzentrenbranche für viele möglicherweise wenig greifbar. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Elektrifizierung verschiedenster gesellschaftlicher Bereiche, bei der zugleich die Klimaziele erreicht werden sollen, wird auch die Datenmenge und damit auch Branche immer größer werden.
„Irgendwo müssen diese Daten ja verarbeitet werden. Wenn wir die Klimaziele gemäß des Pariser Abkommens einhalten wollen, muss die Rechenzentrenbranche Lösungen und Standorte finden, die sie klimaneutral und nachhaltig machen. Hierfür hat Norwegen beste Voraussetzungen, um einen großen Beitrag zu leisten: Indem die Rechenzentren in Norwegen liegen und mit erneuerbarer Energie betrieben werden, anstatt in Frankfurt, London, Amsterdam oder Paris, wie es heute bei vielen der Fall ist, und mit schmutziger Energie und grünen Zertifikaten laufen.“
Wie sehen Sie Ihre Zukunftsaussichten?
„Letztes Jahr war sehr gut, und dieses Jahr wird noch besser. Wir eröffnen derzeit einen dritten Standort in Norwegen, und das Interesse aus dem Ausland ist sehr groß. Wir haben uns sehr stark auf die Erschließung des nordamerikanischen und europäischen Marktes konzentriert, hier haben wir eine ganze Reihe von Kunden. Jetzt haben wir auch mit Vorstößen auf dem asiatischen Markt begonnen. Hier ist die Nutzung von erneuerbarem Strom und eine effiziente Energienutzung in den Anlagen schon häufig eine Bedingung. Deswegen glauben wir nicht nur, sondern wissen, dass die Zukunftsaussichten gut sind – für uns und für Norwegen als Nation der Rechenzentren“, so Gyland.
Anfang September hat Green Mountain mit dem Bau eines neuen Rechenzentrums in Enebakk bei Oslo begonnen. Der dritte Rechenzentrumsstandort des Unternehmens soll voraussichtlich im Herbst 2020 eröffnet werden.
Übersetzung: Julia Pape