Bild: zVg
VNG war bis 2018 mit VNG Norge AS in Norwegen vertreten. Trotz des Verkaufs sind die Unternehmenskontakte nach Norwegen nie ganz abgebrochen und die grüne Energiewende bietet viele spannende Geschäftsmöglichkeiten. Wir haben daher Hans-Joachim Polk, Member of the Executive Board VNG getroffen und mit ihm über die Herausforderungen und Möglichkeiten im Zeichen der grünen Energiewende gesprochen.
AHK Norwegen: 2017 wurde die Strategie „VNG 2030+“ gelaunched – 2018 folgte mit der Übertragung sämtlicher Anteile an Neptune Energy Norge der Rückzug aus dem E&P-Geschäft. Wo steht VNG heute, 5 Jahre später, in ihrer 2030+ Strategie?
Hans-Joachim Polk: Vieles, was wir 2017 festgelegt haben, ist heute noch gültig bzw. die Themen sind noch aktueller als vor 5 Jahren. Das Zielbild, VNG grün, digital und gasbasiert aufzustellen, bleibt unverändert. Aber einige Rahmenbedingungen haben sich verändert, wie zum Beispiel die Einteilung der Emissionen in Scope 1,2 und 3 aus dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) zur Ermittlung der freigesetzten Gas- bzw. CO2-Mengen und geeigneter Maßnahmen zu ihrer Reduzierung. Auch durch den Krieg Russlands in der Ukraine müssen die Karten neu gelegt werden. Die beschleunigte Transformation hin zu grünen Gasen und die aktuelle geopolitische Lage bringen viele Unwägbarkeiten mit sich. Große Herausforderungen stellen für uns die vielen für die Transformation benötigten Investitionen dar. Wie verteilen wir diese, welche Projekte können wir am Ende wirklich umsetzten?
„Essenziell für den Erfolg für die grüne Energiewende ist die Frage, wie aus den Wasserstoffthemen ein Geschäftsmodell werden kann, das sich finanziell trägt.“
Hans-Joachim Polk, Member of the Executive Board, VNG AG
Ein Beispiel: Im Rahmen des IPCEI-Wasserstoffprojektes (Anm. IPCEI: Important Projects of Common European Interest) wollen wir 900 km Pipeline zwischen Rostock, Berlin, Salzgitter und den Industrieclustern um Leipzig neu bauen oder umwidmen. Das Projekt wird aber nur zur Hälfte staatlich gefördert. VNG wird einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag stemmen müssen. Essenziell für den Erfolg aber und somit für die grüne Energiewende ist die Frage, wie aus den Wasserstoffthemen ein Geschäftsmodell werden kann, das sich finanziell trägt. Es braucht Kunden, die bereit sind, Verträge zur Wasserstoffabnahme zu unterschreiben. Erst dann wird auch in den Wasserstoffpipelines eine konkrete Kapazität gebucht. Diese Entwicklungen werden letztendlich maßgeblich den Erfolg des Wasserstoff-Hochlaufs in Deutschland und damit auch unsere Investitionen beeinflussen.
VNG setzt sowohl auf Wasserstoff als auch auf Biogas. Wo verorten Sie beides im Geschäft von VNG?
Beide Themen laufen bei VNG unter der gemeinsamen Überschrift „grüne Gase“. Unsere Projekte und unser Wachstum im Bereich Biogas und Biomethangas sind sehr gut gelaufen. Wir haben von anfänglich zwei Anlagen mittlerweile 40 in unserem Portfolio, diese verbessert, individuelle Konzepte erarbeitet und flexibilisiert.
Beim Wasserstoff steht unser Leuchtturmprojekt, das Reallabor Energiepark Bad Lauchstädt, kurz vor der finalen Investitionsentscheidung. Wir bauen dort in einem Konsortium mit Partnern eine komplette Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff auf: Von der Wasserstofferzeugung durch Windenergie, Wasserstoffumwandlung mittels eines 30 MW Elektrolyseurs, Speicherung, Transport bis hin zur Nutzung bzw. Anwendung.
Was es noch dringend braucht, ist ein verbindlicher regulatorischer Rahmen, um das ganze auf ein tragfähiges Geschäftsmodell zu stellen. Vor diesem Hintergrund freut es mich sehr, dass die EU-Kommission den Delegated Act – RED II im Februar veröffentlicht hat. Jetzt ist die Bundesregierung endlich befähigt und am Zug, die geringeren THG-Emissionen per Verordnung bei der Nutzung von grünem Wasserstoff auf die THG-Quote, z.B. von einer Raffinerie anrechnen zu lassen. Der Rahmen für die Vermarktung der Produktion wäre dann gesetzt und würde uns helfen, das Projekt über die Ziellinie zu bringen.
Norwegen spielt eine große Rolle im Bereich Wasserstoff, VNG hat sich vor 5 Jahren zurückgezogen. Läge es da nicht nahe, das alte Netzwerk für Kooperationen zu nutzen?
In Norwegen hat VNG schon sehr weit zurückreichende Beziehungen u.a. über unser Handelsgeschäft, auf die wir weiter bauen können. Hier haben wir bereits mit dem norwegischen Energieunternehmen Equinor zusammengearbeitet. Aufgrund der sehr positiven Kooperation haben wir im Juli vergangenen Jahres mit Equinor eine neue Zusammenarbeit beschlossen, unter anderem für ein Projekt zur Erzeugung von CO2-armen Wasserstoff.
„VNG Norge zu verkaufen war die richtige Entscheidung.“
Hans-Joachim Polk, Member of the Executive Board, VNG AG
Das Ziel ist die Planung, der Bau und Betrieb einer Anlage zur Produktion von dekarbonisiertem Wasserstoff in Rostock. Wir wollen eine Wasserstoff- und CO2-Drehscheibe im Raum Rostock errichten und damit eine lokale und regionale Wertschöpfung in Ostdeutschland schaffen. Aktuell erstellen wir eine Machbarkeitsstudie, dann geht es in der nächsten Phase in die weitere Konkretisierung.
Obwohl VNG Norge 2018 verkauft wurde, ist VNG weiterhin Mitglied in der AHK Norwegen. Warum?
VNG Norge zu verkaufen war die richtige Entscheidung, aber das sollte nicht bedeuten, dass wir uns Norwegen komplett verschließen. Im Gegenteil: Es war immer klar, dass es auch weiterhin viele Themen geben wird, die uns mit Norwegen verbinden und neue Geschäftsmöglichkeiten bieten. Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Norwegen haben Zukunftspotenzial. Darüber hinaus schätzen wir die persönlichen Kontakte zur AHK. Sollten wir in Norwegen wieder stärker agieren, werden wir erneut von der rechtlichen und organisatorischen Beratung profitieren, und auf Dauer möchten wir uns auch wieder vermehrt ins Netzwerk einbringen.
Eine persönliche Frage zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass wir die Beziehungen und Projekte in Norwegen mit Behörden, Partnern sowie Equinor oder dem Energieministerium erfolgreich umsetzen können. Ich war sehr positiv überrascht, wie schnell Norwegen in diesem Jahr, in dieser schwierigen geopolitischen Zeit, reagiert hat, und Deutschland sowie weitere europäische Länder durch die Ausweitung seiner Erdgaslieferungen unterstützt hat. Die Länder sind über die Entfernung zusammengerückt. Ich möchte mit unseren Projekten diesen positiven Aspekt auf der bilateralen Ebene mit der Fortführung einer engen Zusammenarbeit weiter zum Ausdruck bringen und im Rahmen der Energiewende ein wichtiges Zeichen setzen.