Interview mit Laila Stenseng, der neuen Botschafterin Norwegens in Berlin

Laila Stenseng bei einem Besuch mit der norwegischen Außenministerin in der AHK Norwegen im Januar 2023. Bild: AHK Norwegen

Am 2. Mai übernimmt Laila Stenseng das Amt der norwegischen Botschafterin in Deutschland von Torgeir Larsen, der Berlin nach einem Jahr Amtszeit wieder den Rücken kehrt. Wir haben mit der neuen Botschafterin über die deutsch-norwegischen Beziehungen, ihre neue Position in Berlin und feministische Außenpolitik gesprochen.

Sie sind seit mehr als 20 Jahren mit einem Deutschen verheiratet, haben jedoch gemeinsam lange in Oslo gelebt. Wie gut kennen Sie Deutschland?

Laila Stenseng: Sehr gut eigentlich. Ich war schon als Kind immer wieder in Deutschland aufgrund familiärer Beziehungen, darunter einmal eineinhalb Jahre am Stück in München. Ich habe als Jurastudentin in Anwaltskanzleien in Deutschland gearbeitet und war drei Jahre an der Botschaft in Berlin. Ich habe Verwandtschaft und viele gute Freunde und Kollegen aus meiner Zeit in Deutschland, die ich jetzt auch hoffentlich mehr sehen werde.

Torgeir Larsen verlässt Berlin nach einer kurzen, aber sehr ereignisreichen und intensiven Zeit. Wie beurteilen Sie aktuell die Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland?

Ich möchte da gerne unseren Premierminister, Jonas Gahr Støre, zitieren: Deutschland war für Norwegen nie wichtiger, und Norwegen nie so wichtig für Deutschland wie jetzt. Deutschland ist Norwegens wichtigster Partner in Europa. Es gibt trotzdem Potential, die Beziehungen weiter auszubauen, besonders wenn es um unsere Industriepartnerschaft und Industrieentwicklung im Rahmen der grünen Transition oder bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten geht. Sicherheitspolitik wird im Übrigen immer öfters ein Bestandteil von Abwägungen im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt, und Europäische Klimapolitik wird mehr und mehr zu grüner Industriepolitik. Das führt auch dazu, dass Norwegen und Deutschland größere Gemeinsamkeiten haben werden im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Binnenmarkts, z.B. für neue Rahmenbedingungen für Klimamaßnahmen sowie für industrielle und wirtschaftliche Entwicklung.

Sicherheitspolitik wird immer öfters ein Bestandteil von Abwägungen im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt, und Europäische Klimapolitik wird mehr und mehr zu grüner Industriepolitik.

Was macht für Sie den besonderen Reiz an dieser Position aus?

Dass ich in einer Position arbeiten darf, in der ich die Beziehungen zu Norwegens wichtigstem Partner in Europa mitgestalten kann. Und auch dass wir in einer herausfordernden Zeit leben, in der wir uns eng abstimmen müssen, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit und rechtstaatlichen Prinzipien sicherzustellen, und die transatlantischen Beziehungen zu pflegen.

Gibt es für Sie Bereiche, die Ihnen abseits der Energie- und Sicherheitsthemen besonders wichtig sind?

Mit einem angestrebten Wachstum von 50 % des Festlandsexportes binnen 2030 hat die norwegische Regierung ehrgeizige Ziele in der Wirtschaftsförderung. Für mich ist es deshalb insbesondere wichtig, die Möglichkeiten, die sich für unsere Wirtschaft bieten könnten, im Blick zu behalten – auch jenseits der „traditionellen“ Pfeiler wie Energie und maritime Wirtschaft. Wir müssen uns weiterhin um die drei wichtigsten Säulen kümmern: Europapolitik, Sicherheitspolitik und Energie. Aber wir müssen auch daran arbeiten, dass man in Deutschland ein besseres Verständnis der Nördlichen Gebiete entwickelt, vor allem. im Hinblick auf Klima und nachhaltiges Ressourcenmanagement im Rahmen des gegenwärtigen geopolitischen Kontexts. Dazu kommt natürlich auch der ganze Kulturbereich mit seiner großen Bedeutung für das gegenseitige Verständnis unserer Länder. Deutschland mit seiner extrem lebendigen Kulturszene nimmt hier eine spezielle Position ein – nicht zuletzt wurden hier auch unsere wichtigsten Künstler wie Ibsen und Munch entdeckt.

Ab 2. Mai vertritt Laila Stenseng die Interessen Norwegens in Deutschland. Bild: Laila Stenseng

Im März hat Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland, ihre Leitlinien der feministischen Außenpolitik veröffentlicht. Darin ist unter anderem das Ziel beschrieben, dass Frauen besser vertreten sind, auch im Auswärtigen Amt selbst. Zum Beispiel werden nur knapp 30 Prozent der deutschen Auslandsvertretungen zurzeit von Frauen geleitet. Deutschland kann in Sache Gleichstellung bekanntlich noch einiges von Norwegen lernen. Sehen Sie diese Thematik auch in Teilen in Ihrer Aufgabe verankert?

Gleichstellung ist stets eine Thematik, die in meiner Arbeit verankert ist und mit der ich mich schon seit langem intensiv beschäftige. Wichtig ist, dass beide Geschlechter am Arbeitsmarkt auf faire Art und Weise teilnehmen können und sich zuhause die Arbeit teilen. Eine ehemalige Premierministerin hat gesagt, ihr bester Karrieretipp für Frauen ist, sich den richtigen Partner auszusuchen; einen der Dich stets unterstützt. Da habe ich selbst gute Erfahrung. Gleichstellung dreht sich um Gerechtigkeit und darum, die Talente der ganzen Bevölkerung zu nutzen. Aber auch wirtschaftlich ist Gleichstellung entscheidend. Was vielleicht nicht alle in Deutschland wissen: Gleichstellung, und die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, ist viel wichtiger für Norwegens Wirtschaft als das Öl.

Was vielleicht nicht alle in Deutschland wissen: Gleichstellung, und die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, ist viel wichtiger für Norwegens Wirtschaft als das Öl.

Torgeir Larsen schreibt als fester Kolumnist in der norwegischen Wirtschaftstageszeitung Dagens Næringsliv (DN) über deutsche Politik oder Fußball und Diplomatie. Dürfen wir von Ihnen ähnliches erwarten?

Da müssen Sie Dagens Næringsliv fragen!

Aufgrund der geopolitischen Lage haben die großen bilaterale Projekte zwischen Deutschland und Norwegen enorm Fahrt aufgenommen. Wie werden sich Ihrer Meinung nach die deutsch-norwegischen Verbindungen in Zukunft entwickeln?

Die Beziehungen werden sich auf den meisten Gebieten weiterentwickeln und vertiefen. Es ist zumindest mein Ziel, auf meinem neuen Posten dazu beizutragen. Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, wirtschaftlich, energie- und sicherheitspolitisch, werden uns in diese Richtung führen. Der Krieg wird in jeder Hinsicht eine Zeitenwende für Europa und die Europapolitik – in ihrer ganzen Breite.