Illustrationsfoto vom German-Norwegian Energy Dialogue. Foto

Klimaziele einhalten und gleichzeitig die Wirtschaft ankurbeln – ist das möglich?

Wie kann die EU die für 2050 gesetzten ambitionierten Klimaziele erreichen und gleichzeitig die Wirtschaft nach der Covid-10-Pandemie wieder aufbauen, so das Thema in der zweiten Runde der German-Norwegian Energy Dialogue Webinar Series 2020 am 5. Juni.  

„Covid-19 ist eine wichtige Erinnerung daran, wie stark Emissionen mit der Wirtschaftstätigkeit korrelieren“, fasste Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI), seinen Vortrag zusammen. Er verwies auf kürzlich veröffentlichte Schätzungen in der Fachzeitschrift Nature Climate Change, die zeigen, dass die globalen Emissionen in der Zeit, in der sich die Gesellschaft im Lockdown befand, um etwa 20 Prozent gesunken sind. Trotz des signifikanten Rückgangs der Wirtschaftstätigkeit entspricht die Emissionsreduktion nur dem Niveau von 2006.

„Dies ist eine wichtige Warnung für den mit den Klimaherausforderungen verbundenen Optimismus. Der in Paris formulierte Ambitionsgrad ist enorm, wenn man die Wirtschaft am Laufen halten oder sogar ein Wachstum erzielen will und gleichzeitig die Emissionen auf ein Niveau senken möchte, das viel geringer ist als das, was wir jetzt mit einem nahezu wirtschaftlichen Stillstand erreicht haben. Wenn die Wirtschaft sich wieder erholt, werden die Emissionen aufgrund des verstärkten Einsatzes fossiler Energie rasch zunehmen.“

Der Staat übernimmt die Differenzkosten

Bettzüge geht davon aus, dass sich der derzeitige Rückgang der Strompreise um fast ein Drittel weitgehend auf die wirtschaftliche Erholung auswirken wird, was mittelfristig auf die Konsequenzen von Covid-19 auf den Gas- und CO2-Preis zurückzuführen ist. Der Markt erwartet, dass diese in den nächsten zwei Jahren dauerhaft sein werden. „Für Deutschland hat dies wichtige Auswirkungen auf die Politikplanung, da die Verringerung des Strombedarfs in Kombination mit einem Rückgang des Großhandelspreises für Strom die Finanzierungslast für Programme für erneuerbare Energien erhöht.“

Diese Programme werden über Zuschläge von Stromverbrauchern refinanziert, die die Differenz zwischen dem Marktwert erneuerbarer Energien und der Preisgarantie, die die Erzeuger im Voraus erhalten haben, decken. Sinkende Strompreise verringern den Marktwert des erneuerbaren Stroms und erhöhen somit die Differenzkosten. „Im jüngsten Covid-19-Rettungspaket übernimmt die Regierung eine gewisse Verantwortung für die Refinanzierung der Differenzkosten, was ich als eine wichtige Entwicklung in der Geschichte der deutschen Programme für erneuerbare Energien bezeichnen würde“, sagte Bettzüge.

Er verwies auf den Vorschlag der Bundesregierung für einen Zuschuss aus Bundesmitteln, durch den die EEG-Umlage in 2021 auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde und 2022 auf 6,0 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden soll. Nach Schätzungen des EWI bedeutet dies, dass jeweils zwölf und vier Milliarden Euro aus dem Haushalt entnommen werden müssen, um die EEG-Umlage in den nächsten beiden Jahren zu stabilisieren.

Zunehmende Kluft zwischen EU und Rest der Welt

Und wie steht es um den Green Deal? Laut Bettzüge haben sich die aktuellen Umstände im Vergleich zur Zeit vor der Krise stark verändert. Der wirtschaftliche Druck ist sowohl für die EU und ihre Mitgliedsstaaten als auch für Unternehmen und Haushalte groß. „Die Kluft zwischen den Ambitionen der EU und dem Rest der Welt wird sich wahrscheinlich vergrößern, weil billige fossile Brennstoffe das Wirtschaftswachstum auf fossiler Basis attraktiver machen als vor der Krise. Angesichts der globalen Wettbewerbsfähigkeit ist es schwierig, den Green Deal aufrechtzuerhalten.“

In ähnlicher Weise begrüßte Kathrine Fog, Head of Corporate Strategy & Analysis bei Hydro, die Ambitionen der EU, wies jedoch darauf hin, wie wichtig es ist, diese Ziele zu erreichen, ohne der Industrie zu schaden. „Strenge Emissionsziele erhöhen die CO2-Preise, was höhere Kosten für die Industrie bedeutet. Das heißt, die Strafkosten, die wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern außerhalb Europas haben, werden erheblich steigen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu gewährleisten, müssen die hohen Klimaziele im Rahmen des Green Deals mit konkreten, transparenten und angemessenen Kompensationsmaßnahmen für die betroffene Industrie in Einklang gebracht werden“.

Während des Lockdowns wurde ein Drittel der Aluminiumschmelzkapazität in Europa stillgelegt, was vor allem zu Importen von Produkten aus China führte, die auf Kohlekraft basieren. Fog erklärte weiter, dass die CO2-Preisgestaltung ohne Kompensationen den Umsatz und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beeinflussen und über kurz oder lang zu Veräußerungen und Werksschließungen führen wird. „Wir brauchen Planungssicherheit, um Investitionsentscheidungen treffen zu können“.

NordLink startet wie geplant

Gunnar Løvås, Executive Vice President Market and System Operation bei Statnett, betonte in seinem Beitrag, dass die Kapazität in der Produktion und im Übertragungsnetz im Rahmen der grünen Wende beträchtlich erhöht werden muss. „In vielen europäischen Ländern, insbesondere in Nordeuropa, besteht die Herausforderung darin, Energie von Nord nach Süd zu transportieren. Die Entfernungen sind lang, die Einschränkungen sind zahlreich und die Kosten für den Netzausbau sind hoch. Wir müssen smarte Wege finden, um diese Herausforderungen zu lösen und inakzeptable Kosten für die Verbraucher zu vermeiden.“

Løvås ging auch auf das Stromkabel NordLink ein, das eine wichtige Investition von Statnett und zwei deutschen Partnern – dem Stromnetzbetreiber TenneT und der Investitionsbank KfW – ist und den deutschen und norwegischen Markt für erneuerbare Energien miteinander verbinden wird. „Der Ausbau von NordLink läuft trotz Covid-19 gut. Wir folgen dem Projektplan und können im Herbst starten. Die Hauptbedenken sind derzeit Einschränkungen im deutschen Netz und im deutschen Aktionsplan, die einige Hindernisse für die Nutzung des Kabels geschaffen haben. Wir arbeiten nun eng mit unseren deutschen Partnern zusammen, um Lösungen dafür zu finden.“

NRW dekarbonisiert die Industrie

Nordhrein-Westfalen ist für seine Infrastruktur für Stromproduzenten sowie für energieintensive Industrien wie Stahl, Chemie, Zement und Aluminium bekannt. Michael Theben, Leiter der Abteilung Klimaschutz am Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW, erklärte, wie die Regierung gemeinsam mit der Industrie daran arbeitet, die Existenz der Unternehmen in der Energiewende zu sichern. „Wir wollen auch 2050 noch ein Industriestaat sein und werden die Industrie in NRW dabei unterstützen, bis dahin klimaneutral zu werden. Dafür brauchen wir massive Investitionen in zukunftsorientierte Technologien sowie klimaneutrale Prozesse in der Industrie und im Energiesektor wie Power-to-x-Technologie, Energiespeicherung und die Nutzung von Wasserstoff.

Theben führte thyssenkrupp in Duisburg als Beispiel an: Der Stahlproduzent arbeitet an einem Hochofen auf Wasserstoffbasis zur Emissionsreduktion. Das Projekt wird von den Behörden auf nationaler und regionaler Ebene gefördert. „Wir wollen dem europäischen Ansatz im Umgang mit den  Klimaherausforderungen folgen. Der European Green Deal befasst sich ausdrücklich mit Themen, die für unsere Region wichtig sind, wie beispielsweise das Ziel einer sauberen Stahlproduktion mit Wasserstoff bis 2030.“

Hier können Sie die Zusammenfassung vom ersten Teil des German-Norwegian Energy Dialogue lesen, der sich mit den Folgen von Covid-10 für den europäischen Strommarkt befasste.

Hilde Bjørk
Übersetzung Julia Pape