In Rostock entwickelt ein forschungsorientiertes Unternehmen KI-Technologien, die weltweit bei der Automatisierung von Prozessen im Einsatz sind. Die Planet artifical intelligence GmbH hat jedoch viel weiterreichende Visionen. Das Unternehmen arbeitet gemeinsam mit Partnern aus der Region und globalen Konzernen an kognitiven Systemen, die Bilder, Dokumente und Stimmen verstehen und in Zusammenhänge stellen können. Als Einsatzgebiet sehen die Rostocker vor allem die Medizin.
Lesen und Zuordnen
PlanetBrain heißt die Künstliche Intelligenz, die die Firma in den vergangenen Jahren entwickelt und auf den Markt gebracht hat. Die Schrifterkennungstechnologie ist bereits in verschiedenen Anwendungsbereichen im Einsatz.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird die KI vor allem für die Verkehrsüberwachung genutzt. Das System erkennt Nummernschilder und Gesichter und ordnet diese selbst bei schlechter Bildqualität fehlerfrei zu.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Logistik. In den USA, in Luxemburg oder auch in Dänemark wird PlanetBrain als Grundlage für Adresserkennungssoftware genutzt. So werden durch die KI in großen Briefverteilungszentren selbst handschriftlich geschriebene Adressen gelesen und zugeordnet, was eine schnellere Sortierung und Beförderung der Post ermöglicht.
Planet AI arbeitet eng mit der Universität Rostock zusammen. Durch gemeinsame Veranstaltungen findet ein kontinuierlicher Austausch statt, der für beide Seiten viele positive Auswirkungen hat. So hat das Unternehmen in den letzten Jahren viele Absolventen übernommen und in gemeinsamen Forschungsprojekten die kognitiven Systeme weiterentwickelt.
„Das Verstehen von komplexen Inhalten aus Bild und Text wird uns in Zukunft ganz neue Möglichkeiten schaffen.“
Jesper Kleinjohann, Chief Operating Officer bei Planet AI
Nächster Schritt: Verstehen
Den nächsten Entwicklungsschritt der Künstlichen Intelligenz sieht Jesper Kleinjohann, Chief Operating Officer bei Planet AI, im Verstehen der Inhalte. „Der aktuelle Schwerpunkt unserer Forschung liegt darin, automatisch wichtige Informationen extrahieren, lange Texte zusammenfassen oder Fragen zum Inhalt stellen zu können.“ Planet AI sieht seine Lösungen als assistierende Systeme, die bei der Automatisierung von Prozessen helfen sollen. Die KI soll wiederkehrende Aufgaben vereinfachen oder selbstständig lösen und somit Platz und Zeit für wesentliche Dinge schaffen.
Großes Potenzial in der Medizin
„Das Verstehen von komplexen Inhalten aus Bild und Text wird uns in Zukunft ganz neue Möglichkeiten schaffen,“ sagt Kleinjohann, der vor allem im Bereich von Medizin und Gesundheit großes Potenzial für KI sieht. „Viele Prozesse können wegen Mangel an Zeit oder Personal nicht ausreichend gründlich umgesetzt werden. Das geht zu Lasten der Qualität und der Zeit zwischen Arzt und Patient. Am Ende leidet der Patient darunter, da er nicht die optimale Versorgung erhalten kann.“ KI könne in der Medizin, so Kleinjohann weiter, in vielen Bereichen unterstützend und aufbereitend eingesetzt werden, sodass sich die Ärzte nur noch mit den wesentlichen Informationen befassen müssen. „Am Ende geht es immer um die Automatisierung von Prozessen, bei denen uns KI helfen kann. Im medizinischen Bereich bedeutet das im Zweifelsfall, ob ein Patient gesund wird oder nicht, ob er weiterlebt oder stirbt.“
In seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeit richtet das Rostocker Unternehmen seinen Fokus daher besonders auf „Doktor KI“. Unter Doktor KI versteht Planet AI ein medizinisches Assistenzsystem, das Ärzte bei der Diagnosefindung oder Risikoanalyse unterstützt. Das reicht von Diagnoseempfehlungen, über Vorsorgeuntersuchungen in ländlichen Gebieten bis hin zur Entwicklung neuer Behandlungsansätze oder Medikamente. „Künstliche Intelligenz wird den Menschen nicht ersetzen, aber sie kann ihn in seiner Arbeit massiv unterstützen und damit am Ende mehr Zeit für die Interaktion zwischen Arzt und Patient schaffen,“ so Kleinjohann.
„Künstliche Intelligenz wird den Menschen nicht ersetzen, aber sie kann ihn in seiner Arbeit massiv unterstützen.“
Jesper Kleinjohann, Chief Operating Officer bei Planet AI
Rostock – KI-Standort für die Zukunft
Planet AI arbeitet mit internationalen Partnern wie IBM und verstärkt auch mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern an einer gemeinsamen Strategie mit dem Schwerpunkt „KI für Medizin und Gesundheit“. „Wir haben hier viel Expertise im Land, die wir in gemeinsamen Projekten kanalisieren wollen“, sagt Kleinjohann. „Dafür bringen wir uns mit unserer Technologie und unserem Know-how ein, und wollen so unseren Teil zur Mitgestaltung beitragen.“
In einem dieser Projekte geht es darum, Zusammenhänge zwischen medizinischen Daten zu erkennen. Ziel ist es, eine KI zu entwickeln, die Ärzten Empfehlungen zur Prävention und zur Behandlung von Patienten mit Herzrhythmusstörungen geben und damit Schlaganfälle verhindern soll. Hier spielen tragbare Computersysteme wie Fitnesstracker oder Smartwatches eine bedeutende Rolle. Deren Beliebtheit und Verfügbarkeit ermöglicht es inzwischen praktisch jedem, die eigenen Gesundheitsdaten zu erheben und Unregelmäßigkeiten des Körperzustandes festzustellen.
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit von Planet AI und seinen Kooperationspartnern hat Rostock in den vergangenen Jahren zu einem bedeutenden KI-Standort in Deutschland werden lassen. Dennoch steckt die Entwicklung Künstlicher Intelligenz im Allgemeinen noch in den Kinderschuhen. Zwar kann die Technologie heute bereits definierte Aufgaben besser und vor allem gründlicher erledigen als der Mensch, menschliche Intelligenz zu erzeugen ist derzeit jedoch noch Utopie. „Stand heute hat die KI ganz klar Grenzen, aber das sind keine Grenzen, die nicht in Zukunft einmal überwunden werden können“, meint Kleinjohann.