Peter Due über das Projekt „Yara Birkeland“
Das Schiff „Yara Birkeland“ wird das weltweit erste autonome Containerschiff und ist eine Kooperation zwischen Kongsberg Maritime und Yara. Als Ergebnis dieses Projektes wurde ein eigenständiges Unternehmen gegründet: Wir haben mit Peter Due, Executive Vice President der Yara Birkeland AS, gesprochen, der das Projekt von Anfang an begleitet hat.
Peter Due: Im Englischen nennen wir unsere Arbeit „autonomous logistics for a zero emisson future“: wir gestalten und entwickeln autonome emissionsfreie Lösungen für die Zukunft. Das gilt nicht nur für die Schifffahrt, sondern für Logistiklösungen im Allgemeinen. Wir möchten Lösungen entwickeln, die von Anfang bis Ende autonom und emissionsfrei sind.
Viele wissen vielleicht nicht, dass „Yara Birkeland“ nur einen Teil unserer Arbeit ausmacht. Der Prozess beginnt bereits im Werk, wo wir „einen „Quantensprung“ gemacht haben – etwas überspitzt ausgedrückt sind wir direkt von Industrie 2.0 zu Industrie 4.0 übergegangen. Container, die zuvor in sehr manuellen Prozessen mit Mineraldünger befüllt wurden, werden nun automatisch befüllt und anschließend von einem vollelektrischen und autonomen Portalkran zum Hafen gebracht. Am Hafen wird der Container von einem automatischem Elektrokran aufgenommen, der die Last stapelt und optimiert und das Schiff be- und entlädt. Wenn das Schiff beladen ist, fährt es automatisch zum Exporthafen in Brevik oder Larvik. Damit ist das „Yara Birkeland“-Projekt mehr als nur ein Schiff!
Das Projekt ist innovativ und umfasst viele neue Lösungen, hat aber auch viele positive Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung. Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten?
In diesem konkreten Projekt besteht die Auswirkung darin, dass wir 40 000 Lkw, die heute auf Schulwegen und durch Wohngebiete von und nach Herøya fahren, von der Straße nehmen. Dies wird ganz konkret zu mehr Verkehrssicherheit, weniger Lärm- und Staubbelastung und weniger NOX- und CO2-Emissionen führen.
Diese Auswirkungen entstehen ja, weil der Gütertransport von der Straße aufs Wasser verlegt wird, und die Emissionen werden verringert, weil das Schiff mit Strom betrieben wird. Aber was hat die Autonomie damit zu tun?
Die Autonomie dient als Werkzeug, um etwas anderes zu erreichen. Die Schifffahrt in Norwegen hat eine Entwicklung durchlaufen: Ich erinnere mich aus meiner Jugendzeit daran, dass der Schiffsnahverkehr in Norwegen seinen Höhepunkt erreicht hatte. Er wurde von Lkw abgelöst, die praktisch und günstig waren, und von Tür zu Tür fahren konnten. Heute erkennen wir jedoch, dass wir nicht so weitermachen können. Deshalb möchten wir etwas entwickeln, das tatsächlich mit den Lkw in Wettbewerb treten kann, auch bei den Kosten. Hier kommt die Autonomie ins Spiel.
Wenn man sich den Schiffsnahverkehr ansieht, beispielsweise die Schiffe, die an der Küste entlang fahren, und die Versorgungsschiffe für die Nordsee mit ihren kurzen Strecken, liegen die Kosten für die Besatzung in vielen Fällen bei über 30 Prozent der Betriebskosten. Bei den größten Containerschiffen, die zwischen den Kontinenten verkehren, betragen die Kosten für die Besatzung für manche Schiffe gerade einmal zwei Prozent. Dadurch ist es äußerst profitabel, im Schiffsnahverkehr auf Autonomie zu setzen, was für den Rest des Schiffsverkehrs nicht im gleichen Maße gilt.
Ohne Besatzung kann auch langsamer gefahren werden, was wiederum den Energiebedarf senkt. Die „Yara Birkeland“ ist für eine optimale Fahrt von sechs bis sieben Knoten ausgelegt. Wenn das Schiff von Herøya nach Larvik fährt, verbraucht es genau so viel Energie wie ein Lkw, der mit anderthalb Containern beladen ist – und das bei einer Last von 120 Containern!
Also kann die Autonomie dazu beitragen, dass die verstärkte Nutzung der Seewege wieder profitabler und der Energiebedarf für die eingesetzten Schiffe gesenkt wird.
Laut Plan soll der Betrieb im Jahr 2020 aufgenommen werden. Das Schiff soll zunächst manuell betrieben werden, bevor es bis zum Jahr 2022 schrittweise immer autonomer fährt. Wo stehen Sie im Hinblick auf diesen Zeitplan?
Wir befinden uns in etwa im zeitlichen Rahmen. Wir wissen nicht exakt, wann wir fertig sind, werden aber in der ersten Jahreshälfte 2020 startklar sein.
Der Grund, warum wir für die Umsetzung der Autonomie eine Zweijahresphase eingeplant haben, ist nicht, dass die Technologie noch nicht so weit ist. Sie ist im Großen und Ganzen bereits fertig. Und es handelt sich ja nicht um eine neue Technologie: Kongsberg lieferte das erste autonome betriebsbereite System am 17. Mai 1977. Die Technologie hat sich seitdem natürlich weiterentwickelt, und als Technologiepartner verfügt Kongsberg über umfassende Erfahrung mit hochgradiger Automatisierung und Autonomie. Der Grund für die Umsetzungsphase liegt einfach darin, dass es noch kein fertiges Regelwerk gibt. Es scheint, als sei es den Behörden wirklich recht, dass wir diese Umsetzungsphase geplant haben, sowohl um die Technologie zu verifizieren als auch um das Regelwerk anzupassen.
Wenn „Yara Birkeland“ vollständig autonom fährt, gibt es dann weiterhin die Möglichkeit, manuell zu steuern?
Ja, es wird ein Kontrollzentrum an Land etabliert, in dem ein verantwortlicher Kapitän aufpasst. Der Kapitän soll das Schiff nicht steuern, aber anwesend sein, um in Ausnahmesituationen eingreifen zu können. Sollte eine Situation entstehen, mit der das Schiff nicht umgehen kann oder die es nicht selbst lösen kann, wird das Kontrollzentrum an Land darüber informiert, dass das Schiff Hilfe benötigt, und kann dann die Steuerung übernehmen. Selbst wenn jeglicher Kontakt verloren ginge, ist das Schiff so konstruiert, dass es sich auf eine dynamische Positionierung einstellt und abwartet. Wenn dann währenddessen ein kritisch niedriges Energieniveau entsteht, findet das Schiff den am nächsten liegenden sicheren Ort und geht dort vor Anker.
Das Schiff „Yara Birkeland“ ist ein ziemlich teures Projekt, da es das erste Schiff dieser Bauart ist. Wie realistisch ist es, dass auf lange Sicht autonome Frachtschiffe im großen Maßstab gebaut werden können, die sich tatsächlich rentieren?
Das ist absolut realistisch, aber die Branche muss sich an der Standardisierung von Lösungen beteiligen. Es wird nicht möglich sein, alle Wünsche zu erfüllen, wie es bislang in der Schifffahrtsbranche üblich war. Es müssen einige Standardlösungen für Schiffe angeboten werden, aus denen man auswählen kann.
Man muss auch willens sein, einfach zu denken, wo es möglich ist: Die „Yara Birkeland“ ist für circa 360 Betriebstage pro Jahr ausgelegt, nicht für ganz extreme Witterungsbedingungen. Die Kosten für die restlichen fünf Tage sind so hoch, dass es sich nicht lohnt. In den fünf Tagen ist es kostengünstiger, Lkw einzusetzen. Was kann schlimmstenfalls geschehen, wenn das Schiff aufgrund von Wartungsarbeiten oder der Witterung ein paar Tage am Kai liegen muss? Dann werden stattdessen Lkw eingesetzt. So muss man an die Sache herangehen, dann lohnen sich solche Lösungen auf lange Sicht.
Trine Jess
übersetzt von Global Scandinavia