Die Nachfrage nach Bio-Produkten aus der Region steigt seit Jahren, so auch in Niedersachsen. Die Agrarwende der Landesregierung sieht eine ökologischere Ausrichtung der Landwirtschaft vor und hat eine Umstellungswelle ausgelöst: Es gibt so viele bio-zertifizierte Unternehmen wie nie zuvor.
Die Zeichen stehen auf Grün
In Niedersachsen ist die Öko-Fläche im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf 87 212 Hektar gewachsen. Das ist eine enorme Entwicklung, auch wenn das Land mit einem Ökoanteil von 3,4 Prozent an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche unter dem Bundesdurchschnitt (7,5 Prozent) liegt. Vor allem biologisch erzeugte Milch, Eier und Äpfel sind gefragt. Die Gründe für das Wachstum sieht Christian Meyer, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in der Verbesserung der Förderung und Beratung für umstellungswillige Landwirte.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg im Nordosten des Landes mit 13,7 Prozent Ökofläche die führende Wachstumsregion beim Bio-Anbau. „Hier haben sich über Jahrzehnte stabile Abnehmerstrukturen entwickelt. Abnahmesicherheit ist für Landwirte ein ganz starkes Motiv, auf Ökolandbau umzustellen“, so Carolin Grieshop, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen. Mit der starken Nachfrage nach Bio-Produkten auf Verbraucherseite steige auch die Zahl an Abnehmern. Dort, wo der Ökolandbau bereits stark ist, wächst er auch stark.
Diese Entwicklung ist auch in Westniedersachsen zu beobachten: In Oldenburg startet die Molkerei Ammenland im Herbst mit der Verarbeitung von Bio-Milch – als erste große Molkerei Niedersachsens. „Bei Bio-Eiern und Bio-Obst sind wir schon bundesweite Spitzenreiter. Auch bei Bio-Milch kommt durch die neue Bio-Molkerei endlich auch hier mehr Bioerzeugung aus der Region“, sagt Agrarminister Meyer. Die Umstellung der Molkerei hat 45 Milchviehbetriebe in ihrem Einzugsbereich dazu veranlasst, ebenfalls umzustellen. Einer dieser Umsteller ist Lars Nordbruch, der in der Bio-Landwirtschaft den Weg aus der Milchkrise sah, nachdem er über 20 Jahre einen konventionell arbeitenden Betrieb bewirtschaftete. Der stabile Erzeugerpreis für Bio-Milch hatte dazu geführt, dass er an Umstellung dachte. Die Ammenländer Molkerei als zuverlässiger Abnehmer in der Nähe sowie seine ausreichend große Agrarfläche für eine artgerechte Tierhaltung haben letztlich den Ausschlag dazu gegeben. „Die wirtschaftlichen Daten müssten stimmen“, so Nordbruch. Bio ist weniger eine Frage der Einstellung als der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Eine Region im Westen des Landes folgt diesem Trend jedoch nicht: Die Landkreise Cloppenburg, Vechta und Emsland bilden bei den Wachstumsprognosen die Schlusslichter. Die Ursache hierfür liege in der starken Nachfrage nach Ackerland: „Im Westen werden Flächen gebraucht, um die Nitratbelastung aus der intensiven Tierhaltung zurückzufahren“, erklärt Grieshop. Futtermittel-Hersteller hätten außerdem einen großen Bedarf an Getreide und Eiweißpflanzen, zudem werden Ackerflächen für den Energiepflanzenanbau benötigt. Die Konsequenz sind hohe Kauf- und Pachtpreise, die für Umsteller eine große Hürde darstellen. Zum Vergleich: Ein Hektar Ackerland wird im Landkreis Vechta für 90 500 Euro gehandelt, in Lüchow-Dannenberg kostet der Hektar mit 18 000 Euro nur ein Fünftel des Preises.
Anforderungen an Umsteller
Ein stabiler Markt, steigende Erzeugerpreise und neu entwickelte Bio-Strukturen machen eine Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung attraktiv. Doch der Einstieg in die Branche oder der Aufbau eines neuen Betriebszweiges will gut überlegt und vorbereitet sein: Im Hinblick auf Fruchtfolge, Saat- und Pflanzengut, Tierhaltung, Pflanzenschutz oder Dünger gilt es, strenge Auflagen zu beachten. Die Acker- und Grünlandflächen müssen mindestens eine zweijährige Umstellungszeit durchlaufen. Bis die Erzeugnisse als ökologisches Produkt gekennzeichnet und vermarktet werden dürfen und die Landwirte den höheren Bio-Preis für Getreide, Obst, Gemüse oder Milch erhalten, vergehen bis zu drei Jahre. In dieser Phase muss zudem in moderne Agrartechnik investiert werden. Landwirte müssen mit einem Mehraufwand und Mehrkosten durch die Vorgaben der Öko-Verordnungen und Bio-Kontrollen sowie mit geringeren Erträgen rechnen. „In diese Vorleistung können nur wirtschaftlich gesunde Betriebe gehen“, so Grieshop.
Förderung des Ökolandbaus
Die niedersächsische Landesregierung setzt sich dafür ein, das Angebot an ökologischen Lebensmitteln deutlich zu verbessern, um die steigende Nachfrage zu bedienen. In enger Zusammenarbeit mit dem Handel und den Bauernverbänden hat die Landesregierung im August 2016 einen „Aktionsplan für mehr Ökolandbau in Niedersachsen“ beschlossen, um heimischen Landwirten langfristige Perspektiven zu bieten: „Unser Ziel ist die Verdopplung der Zahl der Ökobetriebe bis 2025“, so Meyer. Der Aktionsplan sieht zum einen die finanzielle Unterstützung mit Förderprämien vor, welche die Umweltleistungen der Bauern honorieren und den Ertragsverlust kompensieren sollen. Zum anderen sind Initiativen zur Stärkung des Ökolandbaus geplant, etwa bei der Wertschöpfung, Vermarktung, Forschung, aber auch in der Aus- und Weiterbildung. „Die geplanten Maßnahmen können dazu beitragen, die ökologische Landwirtschaft in Niedersachsen dauerhaft auf eine breite Basis zu stellen“, meint Grieshop. „Wir sind in vielen Bereichen schon gut aufgestellt, aber Niedersachsen kann noch sehr viel mehr Ökolandbau vertragen.“ Die Ausweitung des Ökolandbaus hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Entwicklung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Die Flächenprämie, die Landwirte für den Umstieg auf Bio bekommen, ist mittlerweile von 364 auf 403 Euro pro Hektar angehoben worden. Wird die Agrarfläche auch drei Jahre später weiterhin nach Öko-Kriterien bewirtschaftet, erhalten Landwirte mittlerweile 273 Euro anstatt 234 Euro pro Hektar. Diese Maßnahme zahlte sich bereits im Vorjahr aus: Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Öko-Betriebe um neun Prozent auf 1 646 Höfe angestiegen – ein Rekordwachstum. Und auch wenn diese Form der Hofbewirtschaftung bei insgesamt 37 800 Betrieben vorerst eine Nische bleibt: Der Bio-Sektor ist der einzige, der wächst, und zwar stärker als anderswo in Deutschland. „Die Nachfrage nach Ökoprodukten ist enorm. Niedersachsen kann also noch viel mehr regionale Bio-Ware absetzen“, sagt Meyer. Er könne sich einen höheren Anteil vorstellen, man müsse sich aber an der Nachfrage orientieren: „Wenn jedes Jahr der Bio-Verbrauch um zehn Prozent steigt, dann müssen wir das auch bedienen können. Ich will nicht, dass die Bio-Milch aus dem Ausland und die Bio-Kartoffel aus Ägypten kommt.“
Julia Pape