Wirtschaftsausblick 2020: Rezession ante portas?

von Dr. Klaus Günter Deutsch, Abteilungsleiter Research, Industrie- und Wirtschaftspolitik, BDI

Knapp zehn Jahre lang ging es aufwärts mit der Konjunktur in Deutschland. Die Entwicklung von Wirtschaftsleistung und Beschäftigung kannte nur eine Richtung, nach oben. In diesem, spätestens im kommenden Jahr, könnte es damit vorbei sein. Denn Deutschlands Industrie steckt seit über einem Jahr in einer Rezession.

Zunächst sah es aufgrund von Sondereffekten (Die Einführung eines neuen Abgasmessverfahrens und das Niedrigwasser im Rhein) nur nach einer temporären Delle aus. Doch von diesem abrupten Rückgang hat sich die Industrie bis heute nicht mehr erholt. Zur Jahresmitte 2019 lag die Industrieproduktion noch immer knapp vier Prozent unter dem Vorjahresniveau, während alle anderen Wirtschaftsbereiche weiter expandierten.

Weil die Industrie in Deutschland so stark wie in kaum einem anderen Land in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist – die Summe der deutschen Im- und Exporte machen fast 90 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus – ist sie auch besonders abhängig von der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Und diese dürfte sich nach den letzten Prognosen des Internationalen Währungsfonds deutlich eintrüben. Politische Unsicherheiten und der Handelsstreit zwischen den USA und China sind die wesentlichsten Ursachen für die globale Wachstumsschwäche.

Deutschland scheint auf den ersten Blick noch vom Handelsstreit verschont worden zu sein, denn im ersten Halbjahr 2019 sind die Ausfuhren sowohl in die USA als auch nach China jeweils um etwas mehr als vier Prozent gestiegen. Gleichzeitig stagnieren aber die Exporte in Länder der Europäischen Union, die etwa zwei Drittel der gesamten Exporte ausmachen. Sollten die USA ihre protektionistische Handelspolitik auch auf die Europäische Union ausdehnen, dürfte sich der Abwärtstrend beschleunigen.

Eine weitere Belastung für die deutschen Exporte stellt der anstehende Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union dar. Die Geschäftsbeziehungen mit einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands werden sich zukünftig deutlich schwieriger gestalten.

Aufgrund dieser Ausgangslage erwarten wir in diesem und im kommenden Jahr kaum Wachstum bei den deutschen Exporten.

Der Blick auf die Gesamtwirtschaft sieht ein wenig besser aus. Dank hoher Beschäftigung und niedriger Arbeitslosigkeit ist die Binnenkonjunktur derzeit noch recht stabil. Sie wird zusätzlich gestützt von einer regen Bautätigkeit bei Wohnungen und öffentlicher Infrastruktur. Das ist nicht in Stein gemeißelt. Über kurz oder lang dürfte die Wachstumsschwäche in der Industrie auch auf andere Wirtschaftsbereiche ausstrahlen.

Trotz der leicht rückläufigen Konjunktur im zweiten und wahrscheinlich auch im dritten Quartal, rechnen wir für das laufende Jahr noch mit einem BIP-Wachstum um ein halbes Prozent aufgrund des kräftigen Wachstums zu Jahresbeginn. Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum etwas schwächer ausfallen. Anders als nach der weltweiten Finanzkrise zeichnet es sich derzeit nicht ab, dass alle Länder an einem Strang ziehen, um bei einer sich verschärfenden Krise gegensteuern zu können.