Offshore-Wind kann eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der EU-Klimaziele spielen. Wir haben mit Rune Volla, dem Leiter der Abteilung für Energie, Ressourcen und Umwelt im norwegischen Forschungsrat, über die deutsch-norwegische Forschungszusammenarbeit und darüber, wie Norwegen in den letzten Jahren Kompetenz in diesem Bereich aufgebaut hat, gesprochen.
Was ist der Forschungsrat und wie arbeitet er?
Der Forschungsrat ist das staatliche Verwaltungsorgan für Forschung und forschungsgetriebene Innovation. Wir finanzieren Forschung und Innovation für die Wirtschaft, Institutionen der öffentlichen Hand und Forschungseinrichtungen durch die Bewilligung von Geldern, die wir von den verschiedenen Ministerien über den Staatshaushalt erhalten. Gegenüber der Regierung übernehmen wir auch eine beratende Funktion im Hinblick auf Investitionen in die Forschung. Das Besondere am Forschungsrat in Norwegen ist, dass er im Hinblick auf Forschung und Innovation übergreifend alle Fach- und Wissenschaftsbereiche abdeckt. In anderen Ländern wird dies in der Regel auf verschiedene Stellen aufgeteilt.
Der Forschungsrat trägt auch die Hauptverantwortung für die Nachverfolgung und die Mobilisierung für die Rahmenprogramme der EU: Das derzeitige Programm Horizont 2020 und das kommende Programm Horizont Europa, das 2021 beginnt.
Können ausländische Akteure Mittel beim Forschungsrat beantragen?
Unser Ausgangspunkt ist, dass norwegische Forschungsgelder Norwegen zugutekommen sollen. Ausländische Forschungseinrichtungen können jedoch Mittel erhalten, wenn norwegische Akteure beteiligt sind und davon ausgegangen wird, dass dies zum Aufbau von norwegischem Know-how und zur Innovationsentwicklung beiträgt. Wir haben mit einer Reihe von Ländern Verträge abgeschlossen, darunter Japan, Korea und Schweiz. Hierdurch können norwegische Forscher auf entsprechende Weise finanziert werden, wenn sie an Projekten in diesen Ländern mitwirken.
Welchen Beitrag leistet der Forschungsrat zu Norwegens Initiative im Bereich Offshore-Windenergie?
Durch das ENERGIX-Programm investieren wir umfassend in die Finanzierung von Energieforschung. Forschung auf dem Gebiet von Offshore-Windenergie war einer der Hauptbereiche in den letzten Jahren. Dies liegt teilweise daran, dass der Bereich innerhalb der norwegischen Forschungsstrategie für Energietechnologie „Energi21“ ein Schwerpunkt ist und sich als wichtiger globaler Markt formiert, in dem norwegische Akteure über zentrales Know-how verfügen.
„Was Norwegen für Deutschland interessant macht, ist dass wir seit mehr als 50 Jahren über eine weltweit führende Offshore-Branche mit zugehöriger Zulieferindustrie verfügen.“
Rune Volla
Darüber hinaus haben wir Forschungszentren für umweltfreundliche Energie, sogenannte FME, die unter anderem die Windenergieforschung finanzieren. Neben der staatlichen Finanzierung mobilisieren wir auch norwegische Unternehmen, Akteure der öffentlichen Hand sowie Forschungseinrichtungen und tragen dazu bei, dass sie mit ihrer Beantragung von Mitteln aus den EU-Rahmenprogrammen erfolgreich sind. Ein wesentlicher Teil der Tätigkeiten des Forschungsrats findet auch gemeinsam mit und in Brüssel statt. Unter anderem durch Stellungnahmen gegenüber der EU-Kommission, um sicherzustellen, dass die Bereiche, die für Norwegen relevant sind, in den Ausschreibungen innerhalb des Rahmenprogramms für die EU gut abgedeckt sind.
Der Forschungsrat hat in den Jahren 2009 bis 2019 50 Milliarden Euro in Offshore-Windenergie investiert. Hierdurch wurde auf diesem Gebiet großes Know-how aufgebaut. Könnten Sie hierzu etwas sagen?
In diesem Zeitraum hatten wir unter anderem zwei Forschungszentren für umweltfreundliche Energie (FME) im Bereich Offshore-Windenergie, Nowitec, das von Trondheim aus geleitet wurde, und Norcowe mit Standort in Bergen. Beide Zentren hatten zahlreiche Partner von anderen Forschungseinrichtungen und aus der Wirtschaft. Im Rahmen der umfassenden Forschungsaktivitäten wurden Know-how und Innovationen entwickelt, auf die jetzt zurückgegriffen werden kann.
Sehr spannend war, wie es weiterging: Im Rahmen des Umweltpakets für die Coronakrise hat das norwegische Parlament entschieden, dass Mittel für ein neues Forschungszentrum für umweltfreundliche Energie mit einem Schwerpunkt auf Offshore-Windenergie und exportorientierter Tätigkeit vergeben werden sollen. In Anbetracht der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist es wahrscheinlich, dass deutsche Kooperationspartner an diesem Forschungszentrum beteiligt sein werden, das wissen wir aber erst, wenn die Anträge vorliegen.
Worin genau liegt Norwegens Stärke im Bereich Offshore-Windenergie?
Durch unsere Projekte sehen wir, dass die Wirtschaft sich in vielen verschiedenen Bereichen am Ausbau von Offshore-Windenergie beteiligt, unter anderen an der Entwicklung und Lieferung von Fundamenten sowie von Installations- und Wartungslösungen. Hier ist es ganz natürlich, dass die Erfahrung aus dem Bereich Öl und Gas zum Tragen kommt. Windanlagen erfordern auch ein komplexes Stromnetz, hier verfügt Norwegen über gute Hersteller, Technikanbieter und Forschungseinrichtungen. Dagegen hat Norwegen keine Turbinenhersteller. Diesen Markt haben andere Länder abgedeckt, beispielsweise Deutschland.
Welche Forschungskooperationen gibt es zu diesem Thema zwischen Norwegen und Deutschland?
Deutschland ist eines der Länder, mit denen Norwegen am stärksten zusammenarbeitet. Einerseits kooperieren wir im Rahmen von Ausschreibungen auf Landesebene, bei denen deutsche Akteure an norwegischen Projekten beteiligt sind. Andererseits gibt es auch innerhalb der EU-Forschung zahlreiche Projekte mit deutschen und norwegischen Partnern.
Die Zusammenarbeit im Bereich Offshore-Windenergietechnologie zwischen den Ländern besteht bereits seit Deutschlands erstem Offshore-Windenergieprojekt Alpha Ventus im Jahr 2009, bei dem sechs Offshore-Fundamente von Norwegen geliefert wurden. Ein interessantes EU-Projekt aus der neueren Zeit, an dem beide Länder beteiligt waren, hieß WinWind, das sich mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der Windenergiebranche beschäftigt hat. Es gab auch eine deutsch-norwegische Zusammenarbeit bei EU-Projekten, die die Rotordynamik und Lösungen zur Kostensenkung für Offshore-Windenergie betrafen.
Wie können Norwegen und Deutschland durch eine Forschungszusammenarbeit im Bereich Offshore-Windenergie im Besonderen, aber auch im Bereich Energie im Allgemeinen voneinander lernen?
Deutschland ist für Norwegen natürlich ein sehr großer Markt. Außerdem hat Deutschland Forschungseinrichtungen der Spitzenklasse. Deutschland war bei der Entwicklung eines Marktes für Windenergie in Europa führend. Das ist wesentlich, um einen Ausbau und eine Entwicklung zu erreichen. Der wachsende Markt bringt auch den Bedarf technischer Verbesserungen mit sich, der wiederum zur Weiterentwicklung der Technologie und zu sinkenden Preisen führt. Wind und Sonne sind hierfür ja die besten Beispiele, hier haben wir in den letzten Jahren eine fantastische Lernkurve.
Was Norwegen für Deutschland interessant macht, ist vermutlich, dass wir einerseits über 100 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der landbasierten Energie und Energienutzung verfügen, und andererseits seit mehr als 50 Jahren über eine weltweit führende Offshore-Branche mit zugehöriger Zulieferindustrie verfügen. Deutschland hat den Markt, und Norwegen hat eine hochentwickelte Branche von Technologieanbietern. Damit haben die Länder sehr gute Möglichkeiten, sich im Bereich Offshore-Windenergie gemeinsam in EU-Projekten zu positionieren. Darüber hinaus arbeiten staatliche Stellen, Forschungseinrichtungen und Wirtschaft in Norwegen und Deutschland sehr gut zusammen, um von den EU-Rahmenprogrammen möglichst gut profitieren zu können.
Mein Eindruck ist, dass Norweger und Deutsche sehr ernsthaft an eine Zusammenarbeit herangehen, es gibt eine Art gemeinsame Durchführungs- und Planungskultur. Auf diese Weise fällt ihnen die Zusammenarbeit meiner Einschätzung nach relativ leicht.