Am 20. November war der norwegische Digitalisierungsminister Nikolai Astrup bei der AHK Norwegen zu Gast, um sich im Rahmen der Veranstaltung „Members meet: Nikolai Astrup“ die Fragen der AHK-Mitglieder zu beantworten. In seiner Rede ging er auf die Kernaspekte der neuen Digitalisierungsstrategie der Regierung für den öffentlichen Sektor und die Bereiche der bilateralen Zusammenarbeit ein.
„Ohne den Einsatz neuer Technologien und der Digitalisierung werden wir die von den Vereinten Nationen gesetzten Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen. Wenn wir diese ambitionierten Ziele bis 2030 realisieren wollen, müssen wir den Fortschritt beschleunigen“, begann der Minister seine Rede.
Im Juni dieses Jahres hat die norwegische Regierung in Zusammenarbeit mit der Interessen- und Kooperationsorganisation der Kommunen (KS) ihre Digitalisierungsstrategie 2019-2025 für den öffentlichen Sektor vorgestellt. Norwegen gilt als Vorbild für Digitalisierung, insbesondere im öffentlichen Sektor. Gute Beispiele dafür sind das Internetportal „Altinn“, das den digitalen Dialog zwischen Privatpersonen, Behörden und Unternehmen ermöglicht, oder „ID-Porten“, eine Anmeldelösung für den gesamten öffentlichen Sektor. In seiner Rede hob Astrup jedoch auch die Bereiche der öffentlichen Verwaltung hervor, in denen sich Norwegen noch verbessern kann.
„Bisher hat der öffentliche Sektor eine Menge positiver Maßnahmen ergriffen, um Geschäftsaktivitäten zu vereinfachen, aber es gibt an einigen Stellen noch Verbesserungsbedarf. Wir haben sieben Ereignisse im Geschäftsleben identifiziert, die wir als erstes angehen wollen. Ein Beispiel ist die Gründung und Führung eines Unternehmens. Wer heute ein Restaurant eröffnen möchte, muss sich im ersten Jahr mit 18 verschiedenen Behörden und der gleichen Anzahl an Formularen befassen. So können wir nicht weitermachen. Ein wesentliches Ziel der Digitalisierungsstrategie ist es, diese 18 Teilprozesse in einem Prozess zusammenzufassen“, erklärt der Minister.
Deutschland digitalisiert den öffentlichen Sektor
Auch wenn Deutschland verglichen mit Norwegen noch Aufholbedarf hat, steht auch hier die Digitalisierung auf der politischen Agenda. Am 17. und 18. November berief die Bundesregierung eine Kabinettsklausur ein, um Strategien und Maßnahmen zu beschließen, die die Digitalisierung im Land vorantreiben. Der Schwerpunkt lag dabei auf der digitalen Infrastruktur, der Datenstrategie und der öffentlichen Verwaltung. In dem 2017 verabschiedeten Onlinezugangsgesetz hat die Regierung festgelegt, dass den Bürgern bis 2022 alle staatlichen Verwaltungsdienste digital zur Verfügung stehen sollen.
„ Dafür brauchen wir dann auch die Frage: Wie identifizieren sich die Bürgerinnen und Bürger? Darüber haben wir genauso intensiv gesprochen, wie wir über den Umgang mit Daten gesprochen haben und Punkte einer Datenstrategie entwickelt haben“, fasste Angela Merkel das Treffen im Anschluss an eine Pressekonferenz zusammen.
In Deutschland ist die „digitale Skepsis“ größer als in Norwegen, auch weil die Privatsphäre in der Bevölkerung stärker im Mittelpunkt steht. Astrup sieht in der digital affinen norwegischen Gesellschaft einen Vorteil bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen und -prozessen.
„Wir haben eine Bevölkerung, die sehr an der Nutzung neuer digitaler Lösungen interessiert ist. Dies wurde vor nicht allzu langer Zeit bei der Einführung des neuen digitalen Führerscheins deutlich. Innerhalb von 24 Stunden hatten 700 000 Norweger die App heruntergeladen.“
Bilaterale Zusammenarbeit birgt großes Potential
Das Nordlink-Kabel ist Astrup zufolge ein Beispiel guter Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Norwegen, da es die Versorgungssicherheit erhöht und den Markt für erneuerbare Energien stärkt.
„Aber an einem kalten Wintertag, an dem die Grundlast hoch und die lokale Versorgung mit erneuerbaren Energien niedrig ist, sind 1 400 MW nicht viel. Vielleicht sollten wir in Zukunft weiter daran arbeiten, die Grundlast in Deutschland zu senken. Zum Beispiel, indem einige der Prozesse, die rund um die Uhr Strom benötigen, in Norwegen platziert werden.“
Die Datenspeicherung und -verarbeitung ist laut Astrup ein energieintensiver Prozess, zu dem Norwegen mit Kapazität und sauberem Strom beitragen kann. Die Strategie der norwegischen Regierung für Rechenzentren habe es für externe Akteure leichter gemacht, Rechenzentren nach Norwegen zu verlagern, wo die Stromkosten im Vergleich zur Verbraucherzahl erheblich niedriger sind, die Maschinensteuer abgeschafft und mit Strom- und Glasfaserkabeln in die Infrastruktur investiert wurde.
„Wenn wir nur Frankfurt betrachten, sehen wir allein für Rechenzentren einen Bedarf von 300 MW, und die Nachfrage wächst jährlich um 15 bis 20 Prozent. Hier bieten sich großartige Möglichkeiten.“
Auf die Frage nach Beispielen für die deutsch-norwegische Zusammenarbeit bei der Digitalisierung, weist Astrup darauf hin, dass derzeit zwei deutsche Unternehmen an Norwegens größtem Digitalisierungsprojekt beteiligt sind – der Digitalisierung der Eisenbahn mit einem Wert von rund 2,5 Milliarden Euro.
„Auf Unternehmensebene gibt es viele Kooperationen, aber ich denke, es gibt noch viel mehr Potenzial. Daher sind Organisationen wie die AHK Norwegen sehr wichtig, gerade um diese Interaktion zu erleichtern. Das können die Behörden nicht alleine stemmen. Ich bin der Meinung, dass wir zusammen noch viel mehr erreichen können, und stehe gerne zur Verfügung, wenn ich norwegischen Unternehmen dabei helfen kann, nützliche Kontakte in Deutschland zu knüpfen.“
Inspiration
„Ich war vor kurzem in Deutschland und habe ein enormes Interesse an den digitalen Entwicklungen in Norwegen erlebt. Deutsche Politiker und Behörden sind an unseren Erfahrungen interessiert, weil sie sehen wollen, ob die Neuerungen auch für Deutschland relevant sein könnten. Ich denke, dieses Interesse kann für norwegische Unternehmen, die nach Deutschland expandieren wollen, von großem Nutzen sein“, so Astrup in einem anschließenden Gespräch.
Auch die AHK Norwegen stellt auf deutscher Seite ein zunehmendes Interesse an digitalen Lösungen aus Norwegen fest.
„Digitalisierung ist ein Thema, mit dem wir in der Handelskammer viel arbeiten, und bei dem wir auch sehen, dass sich die deutschen Unternehmen von Norwegen inspirieren lassen. Erst kürzlich hatten wir Besuch von einer bayrischen Delegation unter der Leitung des bayrischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, der zu dem Schluss kam, dass Deutschland die Chancen der Digitalisierung im öffentlichen Sektor zunehmend nutzen muss, so wie es Norwegen bereits getan hat“, sagt Michael Kern, Geschäftsführer der AHK Norwegen.