E-Government made in Norway

Die Covid-19-Pandemie hat auch in Norwegen tiefe Einschnitte für die Bevölkerung mit sich gebracht. Viele Arbeitnehmer wurden in Kurzarbeit geschickt. Für Betroffene ist in dieser Situation einer der ersten Schritte die Kontaktaufnahme mit NAV, dem norwegischen Arbeitsamt. In Zeiten von Lockdown, Abstandsregelungen und Homeoffice waren die Ämter in Norwegen zeitweise physisch nicht besetzt. Dennoch konnten jederzeit Anträge für Arbeitslosengeld, Vorzahlungen oder ähnliches online gestellt und direkt bearbeitet werden.

Das funktioniert, weil Norwegen in den vergangenen Jahren Strategien für den digitalen Wandel entwickelt und viel in die Digitalisierung der Infrastruktur investiert hat. So ist das Land im Digitalisierungsindex der Vereinten Nationen zu einem Vorreiter geworden, und belegt in der elektronischen Partizipation der Bürger den elften von 193 Plätzen, in der Entwicklung von E-Government Platz 14. Die heutige papierlose Verwaltung ist auch zum Vorbild deutscher Ämter geworden.

Bürger im Mittelpunkt

Der digitale Wandel in Norwegen beruht auf einer Festlegung von Prinzipien und Prioritäten, mit dem Ziel, die persönlichen Lebenslagen der Bevölkerung in den Fokus zu stellen, und somit Prozesse über Abteilungen und Behörden hinweg zu integrieren. So arbeitet man beispielsweise nach dem Prinzip „Once-Only“, bei dem Informationen nur einmal abgefragt werden. Wenn jemand ein Formular für eine Behörde ausgefüllt hat, ist es hinfällig, dass eine andere Einrichtung dieselben Informationen noch einmal abfragt. Grundlage dafür ist das institutionelle Zusammenspiel auf staatlicher Ebene, also die Vernetzung der Behörden untereinander.

Eine weitere wesentliche Digitalisierungsvorgabe des Landes lautet „Digital-by-Default“. Alles, was Bürger und Behörden miteinander abzuwickeln haben, soll möglichst auf digitalem Wege passieren. So kommunizierten die Zentralregierung und die Selbstverwaltungsorgane Norwegens mit den Bürgern via E-Mail oder SMS. 640 öffentliche Unternehmen tun dies ebenfalls. Den dafür notwendigen digitalen Briefkasten hatten sich bis Ende 2019 knapp 2,1 Millionen der etwa 5,3 Millionen Einwohner des Landes eingerichtet. Durch die Corona-Pandemie dürfte diese Zahl noch einmal deutlich gestiegen sein.

Gute Voraussetzungen

Neben den idealen technischen Voraussetzungen – Norwegen verfügt über eine nahezu komplette Deckung im 4G-Breitbandnetz – spielen emotionale Faktoren bei der Umsetzung des digitalen Wandels eine wichtige Rolle. Während der Präsentation der neuen Digitalisierungsstrategie bei der AHK Norwegen erläuterte Norwegens damaliger Digitalisierungsminister Nikolai Astrup, dass im Gegensatz zu Deutschland, wo die Privatsphäre der Bevölkerung stärker im Mittelpunkt steht, die „digitale Skepsis“ in Norwegen gering ist. Astrup sieht in der digital affinen norwegischen Gesellschaft einen Vorteil bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen und -prozessen. „Wir haben eine Bevölkerung, die sehr an der Nutzung neuer digitaler Lösungen interessiert ist. Dies wurde vor nicht allzu langer Zeit bei der Einführung des neuen digitalen Führerscheins deutlich.“

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist ein hohes Maß an öffentlichem Vertrauen, das der Staat genießt. Die norwegische Regierung stärkt dieses Vertrauen durch die Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen auf der einen und Offenheit gegenüber der Bevölkerung auf der anderen Seite. So werden Datenschutz und eine umfassende Informationssicherheit gewährleistet und gleichzeitig das eigene Handeln im Internet zugänglich gemacht.

Fødselsnummer als Schlüssel

Da das Verfahren vielen Menschen bereits vertraut war, hat man sich bei der Implementierung digitaler Strukturen in Norwegen am Online-Banking orientiert. Der Schlüssel zu allen Behörden und öffentlichen Dienstleistungen ist dabei die nationale Personenidentifikationsnummer, die sogenannte Fødselsnummer. Die Angabe der Fødselsnummer ist bei der Eröffnung eines Kontos ebenso notwendig wie beim Abschließen eines Telefonvertrages, dem Kauf einer Immobilie, eines Autos oder bei der Suche nach einem Hausarzt. Über diese ID werden die personenbezogenen Daten aller in Norwegen lebenden Menschen erfasst, über sie erfolgt auch der Austausch mit den staatlichen Institutionen.

Analog der Fødselsnummer werden in Norwegen niedergelassene Unternehmen über die sogenannte Organisationsnummer zugeordnet.

Difi, Brønnøysund und Altinn

Die beiden großen Akteure des norwegischen E-Governments sind das staatliche Direktorat für Verwaltung und IKT (Difi) und das Brønnøysundregister. Das Difi ist eine Agentur, die Ämter und Organisationen bei der Entwicklung digitaler Lösungen berät und unterstützt. Bedeutende Plattformen des Difi sind beispielsweise ID-Porten oder Helse Norge. ID-Porten bietet Bürgern den Zugang zu über 1 000 Diensten öffentlicher Anstalten und Unternehmen. Helse Norge ist das öffentliche Gesundheitsportal, in dem jeder beispielsweise auf seine digitale Patientenakte oder den eigenen Impfpass Zugriff hat.

Das Brønnøysundregister ist die digitale Informations- und Kommunikationsplattform des Landes. Die Open-Data-Plattform bietet eine Auflistung aller norwegischen Firmen sowie eine Übersicht der staatlichen Zuschüsse für jedes Unternehmen – von Steuerbefreiungen bis zur Innovationsförderung.

Eine weitere wichtige Säule des norwegischen E-Governments ist Altinn. Altinn ist die digitale Plattform für den Dialog zwischen Privatpersonen beziehungsweise Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Dieser Plattform mit einem immensen Datenvolumen sind viele Behörden und digitale Dienste angeschlossen. Derzeit sind in Altinn 45 Dienstleister des öffentlichen Sektors vertreten, darunter Ministerien, das Finanz- und das Arbeitsamt. Wie auch alle anderen Plattformen wird Altinn ständig optimiert und erweitert.

Digitalisierungsstrategie 2019-2025

Norwegen hat in den vergangenen Jahren intensiv an der Digitalisierung des Verwaltungsapparates gearbeitet und in dieser Zeit viel erreicht. Dennoch ist der Prozess nicht abgeschlossen. An verschiedenen Stellen gibt es auch in Norwegen noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Um den digitalen Wandel weiter voran zu treiben, präsentierte die norwegische Regierung im vergangenen Jahr die neue Digitalisierungsstrategie 2019-2025 für den öffentlichen Sektor. Das angestrebte nächste Ziel ist es, auf freiwilliger Basis die digitale Kommunikation und Vernetzung mit allen Bürgern, Firmen und Organisation zu erreichen.