von Anne Therese Gullberg, Seniorberaterin und Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Strategieberatung Kruse Larsen.
Kurz vor Weihnachten verabschiedete die deutsche Bundesregierung das Klimaschutzprogramm 2030. Am 31. Januar zog das norwegische Umweltamt mit der „Klimakur 2030“, einem tausendseitigen Maßnahmenprogramm für die nächsten zehn Jahre, nach: Ob Transport, Maschinen, Industrie, Erdöl, Bau, Schifffahrt, Fischerei und Aquakultur oder Landwirtschaft – die Emissionen müssen gesenkt werden, nicht zuletzt im Verkehrssektor.
Norwegen mit ambitionierten Zielen bis 2030
Während Deutschland seine Emissionen seit 1990 um 35 Prozent gesenkt hat, sind die norwegischen CO2-Austöße auf gleichem Niveau geblieben. Am vergangenen Freitag gab die norwegischen Regierung bekannt, dass Norwegen im Rahmen des Pariser Abkommens ein verschärftes Klimaziel angekündigt hat, von ursprünglich 40 auf mindestens 50 und bis zu 55 Prozent. Dies bedeutet, dass die von 2020 bis 2030 zu erledigende Arbeit enorm ist.
Emissionsfreier Verkehr
Deutschland ist Norwegens zweitwichtigster Handelspartner. 2019 importierte Norwegen Maschinen und Transportmittel im Wert von 4,4 Milliarden Euro aus Deutschland. Und gerade im Verkehrssektor sollen viele Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.
2025 sollen alle verkauften Neuwagen, Kleintransporter und Stadtbusse elektrisch unterwegs sein. Ab 2030 sollen 50 Prozent der neuen LKW und 75 Prozent der neuen Fernbusse mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb fahren. Bei schwereren Fahrzeugen sollen dann nur noch Elektromodelle auf dem Markt verfügbar sein. Dies bedeutet, dass sich in Norwegen ausgezeichnete Geschäftschancen für deutsche Lieferanten von Elektroautos und schwereren Fahrzeugen ergeben.
Bedarf an erneuerbaren Energien steigt
Nicht nur Autos, Lieferwagen und schwere Fahrzeuge müssen elektrifiziert werden. Das Klimaprogramm des norwegischen Umweltministeriums umfasst auch die Elektrifizierung von Baumaschinen, die vollständige oder teilweise Elektrifizierung von Fahrzeugen, den Ausbau der Landstromversorgung sowie die Umstellung auf elektrische Lösungen in der Industrie. Das bedeutet, dass Norwegen mehr erneuerbare Energie benötigen wird – sogar 6 TWh mehr als in aktuellen Plänen vorgesehen ist.
Im Januar hat die Ölindustrie ihre Pläne zur Elektrifizierung von Off-Shore-Plattformen mit erneuerbarem Landstrom vorgestellt, wofür 16 TWh benötigt werden. Daraus ergeben sich Geschäftsmöglichkeiten für Akteure in den Bereichen erneuerbare Industrie sowie Stromkabel.
Wenn wir über die „Klimakur 2030“ und den Nichtquotenbereich hinausblicken, gibt es eine Reihe von Kooperationsmöglichkeiten in den Bereichen Offshore-Windenergie und Wasserstoff in der Nordsee. Während sich die Pläne für die Nordsee jahrelang ausschließlich auf Windenergie fokussierten, sehen wir nun, dass sowohl grüner als auch blauer Wasserstoff in die Planung aufgenommen wurden.
Emissionen in der Landwirtschaft senken
Da der norwegische Energiesektor bereits zu fast 100 Prozent erneuerbar ist, müssen die Emissionsminderungen in anderen Sektoren vorgenommen werden. In den letzten Jahren wurden klare Ziele für den Verkehrssektor festgelegt. Nun sehen wir, dass die Landwirtschaft ein wichtiger Punkt in der „Klimakur 2030“ ist. Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung werden wahrscheinlich sowohl von der Politik als auch von der Wirtschaft in hohem Maße befürwortet, doch die Vorschläge, die norwegischen Verbraucher dazu zu bewegen, den Konsum von rotem Fleisch –und damit die norwegische Fleischproduktion – zu senken, sind weitaus kontroverser. Die finanzpolitische Sprecherin der Sosialistisk Venstreparti (SV), Kari Elisabeth Kaski, erklärte bereits am Tag nach der Einreichung der Vorschläge, die Politik könne nicht entscheiden, was auf dem Speiseplan der Bevölkerung stehe.
Norwegen importiert heute Getreide und Getreideprodukte im Wert von 100 Millionen Euro aus Deutschland. Wenn sich norwegische Politiker jedoch dafür entscheiden, den Vorschlägen der „Klimakur“ zu folgen, wird der Fokus zukünftig stärker auf in Norwegen produziertem Getreide, Obst und Gemüse liegen. Die Selbstversorgung mit Getreide soll dann von 40 Prozent auf circa 70 Prozent ansteigen.
Politik entscheidet über Klimapaket
Nun ist es die Aufgabe der Politik, die Inhalte des umfassenden Klimaprogramms zu bewerten. Die Regierung von Ministerpräsidentin Erna Solberg, die nach dem Austritt der liberalistischen Fremskrittsparti (FrP) vor kurzem ihre Mehrheit im Parlament verloren hatte, kündigte eine Regierungsmeldung mit ihren Vorschlägen zu den Maßnahmen an.
Gleichzeitig arbeiten alle norwegischen Parteien im Vorfeld der Parlamentswahlen 2021 an ihren Parteiprogrammen. Es könnte ein harter politischer Kampf über die tatsächliche Umsetzung von Maßnahmen werden. Ungeachtet der politischen Agenda bieten sich gute Geschäftschancen für Unternehmen, die in nachhaltige Technologien investieren, sei es im Verkehrs- oder im Energiesektor.