Im Rahmen der weltweiten Rotation wechselte in diesem Sommer die Leitung des Osloer Goethe-Instituts. Während der bisherige Institutsleiter Martin Bach nun in den Niederlanden arbeitet, wechselte Bettina Senff von Kopenhagen in die norwegische Hauptstadt.
Frau Senff, herzlich willkommen in Oslo! Haben Sie sich in der Stadt schon etwas einleben können?
Vielen Dank, mein Mann und ich sind am 1. Juli eingereist, nachdem wir einen Monat lang gewartet haben, dass die Einreiserestriktionen gelockert werden. Das wunderbare Sommerwetter hat es uns leicht gemacht die Stadt zu erkunden. Inzwischen bietet Oslo auch wieder viele spannende Kulturerlebnisse, die wir gerne nutzen. Wir fühlen uns hier sehr wohl.
Dänemark, Neuseeland und Finnland waren Ihre letzten Stationen als Institutsleiterin. Norwegen passt sehr gut in diese Reihe, welche Erfahrungen bringen sie mit und welche Erwartungen haben sie an das Land?
Das stimmt, Norwegen fehlte mir noch in meiner Reihe von nordischen Dienstorten, denn in Dänemark war ich auch für die kulturelle Zusammenarbeit mit Island und natürlich Grönland sowie den Färöern tätig. Allen Orten, auch Wellington, ist gemeinsam, dass ihre Goethe-Institute über sehr gute Verbindungen zu exzellenten Partnern der Kunst- und Kulturszene verfügen. Gemeinsam mit ihnen entwickeln wir Konzepte und Projekte, die dazu beitragen, innovative, ästhetische und inhaltliche Positionen in der deutschen Gegenwartskunst vorzustellen. Zudem möchten wir aktuelle Themen, Expertise und künstlerische Positionen aus Norwegen identifizieren, um diese gezielt in die deutsche Diskurslandschaft einzuspeisen. Wir denken Kulturaustausch nicht ausschließlich bilateral, sondern nutzen das starke internationale Netzwerk der Goethe-Institute in unseren Programmen. So spielen wir eine aktivere Rolle in der Bearbeitung global relevanter, zukunftsweisender, kultureller, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Themen und bieten eine Plattform für multiperspektivische Sichtweisen.
„Wir denken Kulturaustausch nicht ausschließlich bilateral, sondern nutzen das starke internationale Netzwerk der Goethe-Institute in unseren Programmen.“
Es gilt auch, Nachhaltigkeitserwägungen bei unserer Arbeit zu berücksichtigen. Das Einfliegen von Gästen aus Deutschland für eine einzige Veranstaltung, einen Vortrag oder eine Lesung, ist nicht mehr zeitgemäß. Dazu erwarte ich mir wertvollen Input von norwegischen Kulturinstitutionen und würde diesen sehr gerne anbieten, mit dem Goethe-Institut zusammen Überlegungen zu einer nachhaltigen Kulturarbeit anzustellen und neue Formate zu entwickeln und auszuprobieren. Hier gewinnen beispielsweise Residenzen und längere Arbeitsaufenthalte, die gezielt auf lokale Themen und Realitäten reagieren und eng mit norwegischen Partnern kooperieren, an Bedeutung.
Das Interesse an der deutschen Sprache zu fördern, ist eines der Hauptanliegen der Goethe-Institute. Wie erreichen Sie das von Oslo aus, in einem Flächenland wie Norwegen?
Wir kooperieren mit Schulen im ganzen Land und pflegen vor allem die Kontakte zu den Deutschlehrkräften. Für diese bieten wir Fortbildungen in Norwegen, Deutschland und zunehmend auch digital an, die Kurse und Materialien zur Methodik und Didaktik des Sprachenlehrens, vor allem aber auch zur aktuellen Landeskunde beinhalten. So erreichen wir mittelbar die Schülerinnen und Schüler in ganz Norwegen. Daneben haben wir in unseren Instituten in Deutschland, aber auch online Deutschkurse im Programm und bieten in ganz Norwegen Deutschprüfungen an, die auf dem Arbeitsmarkt oder auch für ein Studium in Deutschland offizielle Zertifizierungen darstellen.
„Ich möchte norwegischen Kulturinstitutionen sehr gerne anbieten, mit dem Goethe-Institut zusammen Überlegungen zu einer nachhaltigen Kulturarbeit anzustellen und neue Formate zu entwickeln und auszuprobieren.“
Das Goethe-Institut hat schon vor Corona vermehrt auf digitale Angebote gesetzt. War dieser Vorsprung hilfreich, um die pandemiebedingten Herausforderungen zu meistern?
Wie schon erwähnt, sind die digitalen Angebote hervorragend geeignet, um Menschen außerhalb der Standorte unserer Institute zu erreichen, und übrigens auch um Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer aus der ganzen Welt zusammenzubringen, um gemeinsam Deutsch zu lernen. Auch die digitale Buch- und Filmausleihe, unsere „Onleihe“, kann ortsungebunden genutzt werden und ermöglicht allen Interessierten den Zugang zu unserer „virtuellen Bibliothek“. Diese Angebote hat das Goethe-Institut bereits seit längerem stetig ausgebaut, aber natürlich hat die Pandemie dazu geführt, dass wir in dem Bereich sehr plötzlich noch einen ordentlichen Sprung nach vorne machen mussten. Dies betraf nicht nur unsere Kultur- und Sprachangebote, sondern auch die Instrumente für die Arbeit innerhalb unseres Instituts und im Netzwerk mit anderen Goethe-Instituten und Partnerinstitutionen. Die Arbeit hat sich stark internationalisiert, fast jeden Tag spreche ich jetzt mit Kolleginnen und Kollegen aus Helsinki, London, München, Montreal oder Nowosibirsk, was vor der Einführung der digitalen Konferenzen so nicht der Fall war. Wir haben uns daran gewöhnt, dass regionale Konferenzen nicht unbedingt eine Dienstreise mit Hotelübernachtungen und geselligem Beisammensein erfordern, sondern dass man am Bildschirm im Bruchteil der Zeit konzentriert auf das Wesentliche sehr gute Ergebnisse erzielen kann.
Der „Digitale Wandel“ spielte während Corona natürlich eine besonders große Rolle, und wird auch in Zukunft als Tool aber auch thematisch wichtig bleiben: Auf diskursiver Ebene sollen Technologien und ihre gesellschaftlichen Implikationen als Thema in den Fokus genommen werden. Andererseits merke ich aber auch, wie ich es genieße, jetzt wieder kulturelle Veranstaltungen live besuchen zu können. Dass es eben doch einen großen Unterschied macht, ob man zuhause auf dem Sofa vor dem Bildschirm sitzt oder ob man einen Film im Kino sieht und sich anschließend noch im Foyer mit anderen Gästen oder in einer Kneipe bei einem Glas Wein darüber austauschen kann.
„Kulturelle Veranstaltungen live besuchen zu können und sich anschließend noch im Foyer mit anderen Gästen oder in einer Kneipe bei einem Glas Wein darüber austauschen zu können, macht einen großen Unterschied.“
In Oslo ist das Institut vor zwei Jahren umgezogen, welche Angebote stehen Ihren Gästen vor Ort derzeit zur Verfügung und wie sehen die Planungen für die Zukunft aus?
Ich kenne das Osloer Goethe-Institut nur so, wie ich es im Maridalsveien 33 vorgefunden habe, und ich habe mich darüber gefreut, hier ein so schönes, neu gestaltetes Haus zu haben, dass so viele Möglichkeiten bietet. Besucherinnen und Besucher sind herzlich willkommen, bei uns in deutschen Zeitschriften zu blättern, mit unserem Team zu schnacken oder auch einfach nur in Ruhe zu arbeiten. Einen Kaffee gibt es gratis dazu.
Neben den beliebten Veranstaltungen wie unsere Tandemabende – die wir bereits wieder anbieten – werden wir im nächsten Jahr immer donnerstags für eine Abendveranstaltung öffnen: für Filme, Musik und Diskussionen. Ich hoffe, dass sich bei uns kulturell Interessierte miteinander über aktuelle Themen austauschen und gerne auch streiten, und dass sich das Goethe-Institut als Begegnungsort auf dem Stadtplan von Oslo weiter etablieren kann.