„Der Blick nach Deutschland lohnt sich“

Im Rahmen einer von der AHK Norwegen organisierten Studienreise nach Stuttgart konnte die Fachschule Tinius Olsen mit Sitz in Kongsberg im Jahr 2016 erfahren, welche Möglichkeiten sich mit einer dualen Ausbildung im Bereich der industriellen Digitalisierung bieten. Zwei Jahre später können sich norwegische Schüler über ein neues Ausbildungsprogramm freuen und in Europas größtem Ausbildungslabor für Industrie 4.0 ihre erlernten Kompetenzen erproben.

Norwegen kann viel vom deutschen dualen Ausbildungssystem sowie der Industrie-4.0-Strategie der Regierung lernen. Mittlerweile kann das skandinavische Land viele gute Pilotprojekte vorweisen, die die berufliche Ausbildung praxisorientierter gestalten und der Fokus auf Ausbildungsinhalte richten, die in einer zunehmend digitalisierten und automatisierten Welt auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt sind. Viele dieser Projekte wurden im Kongsberg Technologiepark initiiert. Vor einiger Zeit haben wir zum Beispiel über das dort 2017 eröffnete Kompetenzzentrum berichtet.

Im vergangenen Herbst startete an der Fachschule Tinius Olsen der erste Jahrgang mit 18 Auszubildenden in einem Programm mit Schwerpunkt auf industrieller Digitalisierung. Gleichzeitig wurde das erste Lernlabor für die in Norwegen bislang einzigartige Ausbildung in Betrieb genommen, das von Festo Didactic, einem führenden Dienstleister im Bereich der technischen Bildung, zur Verfügung gestellt wurde. „Das ist eine sehr wichtige Investition, die Mitarbeitern in Kongsberg den Zugriff auf das neueste Fachwissen ermöglicht“, meint Stefan Johansson, Vertriebsleiter bei Festo Didactic Scandinavia.

Der Entwicklungsleiter der Fachschule, Johnny Kurt Pettersen, erklärt, dass die praxisorientierte Herangehensweise nach dem Vorbild der deutschen dualen Ausbildung einen großen Einfluss auf die Entwicklung des neuen Ausbildungsangebots und Lernlabors hatte: „Als wir mit der Handelskammer auf Studienreise in Stuttgart waren, wurde uns bewusst, was wir mit der Ausbildungsrichtung „Industrielle Digitalisierung“ erreichen können und wie das Lernen in einem praxisnahem Umfeld funktioniert – und nicht zuletzt, welche Möglichkeiten uns ein Labor als Lernumgebung bietet.“ Dies wurde insbesondere im Rahmen eines Unternehmensbesuchs bei Festo deutlich, die einen eigenen Schulungsraum eingerichtet hatten.

Praxiserfahrung im Fokus

Die digitale Entwicklung schreitet so schnell voran, dass es schwierig ist, den Kompetenzbedarf in der Industrie für die nächsten zwei bis drei Jahre einzuschätzen. Daher müssen Schulen und Unternehmen enger zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der Kompetenzbedarf auch zukünftig gedeckt ist. Pettersen sieht in der derzeitigen Zusammenarbeit in Kongsberg viele Vorteile: „Der Hauptvorteil besteht darin, dass wir frühzeitig erfahren, welchen Kompetenzbedarf die Industrie hat und gleichzeitig gute und inspirierende Projektaufgaben für die Auszubildenden erhalten, die auch häufig in die Praxis umgesetzt werden. Durch den frühzeitigen Kontakt mit der Industrie erhöhen sie ihre Chancen für einen direkten Berufseinstieg nach der Ausbildung. Zudem erhalten wir Materialien, die wir in unserem Laborgeschäft nutzen können, und die wir aufgrund der hohen Kosten bislang nicht anschaffen konnten.“

Das neue Ausbildungsangebot erfordert ein gutes Zusammenspiel zwischen Schulen und Industrieunternehmen. Petersson spricht von einem Eigentümer, der Gemeinde Buskerud, die weiß, wie wichtig eine Berufsschule ist, die zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beiträgt. Die lokale Wirtschaft, allen voran die Kongsberggruppe, fungiert dabei als Förderer und Vermittler einer solchen Zusammenarbeit.

Pettersen zufolge sind die ersten Erfahrungen sehr positiv: „Wir haben oft Besuch von Vertretern aus der Wirtschaft, die unsere Zukunftsfabrik sehen und erleben wollen. Dies hat zu vielen guten Kontakten mit der Industrie und Wirtschaft geführt, die teilweise bei unseren Digitalisierungsprojekten mitwirken. Wir haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass unser Labor so komplex ist, dass wir viel in die Weiterbildung und Kompetenzbildung der Mitarbeiter investieren müssen, die bei der Ausbildung und praktischen Anwendung im Labor Schlüsselpersonen sind.“

Deutsch-norwegische Zusammenarbeit ist wichtig

Johansson und Pettersen werden im September am Norwegisch-Deutschen Forum für Industrie 4.0 und Fachkompetenz in der Praxis teilnehmen. Pettersen erklärt, dass die Berufsschule mitverfolgt, wie Deutschland in die Kompetenzentwicklung investiert und welchen Wert diese hat.

„Der Blick nach Deutschland lohnt sich, denn das Land ist bei der Industrie 4.0 führend und setzt sich auf nationaler Ebene für dieses Thema ein. Für uns ist es daher wichtig, die Entwicklungen in diesem Bereich zu beobachten und zu sehen, was wir davon lernen und in das norwegische Modell für Industrie 4.0 überführen können.“ Johansson schätzt insbesondere den deutsch-norwegischen Erfahrungsaustausch: „Durch diese Zusammenarbeit können wir unser Wissen über Entwicklungen in diesem Bereich teilen, was für die lokale Industrie sehr wichtig ist.“

Im Rahmen der Veranstaltung am 11. September in Kongsberg haben Sie die Möglichkeit, Europas größtes Ausbildungslabor zu erkunden. Weitere Informationen zur Veranstaltung und Registrierung finden Sie hier (norwegisch).