Illustrationsfoto vom German-Norwegian Energy Dialogue. Foto

Offshore-Wind: Kosten reduzieren durch Projekte

Der Kompetenztransfer von am Meeresgrund verankerten auf schwimmende Offshore-Windenergie-Anlagen, die Bedeutung von Projekten in großem Maßstab und die Entwicklung eines Systems für eine deutsch-norwegische Zusammenarbeit wurden am 26. August im fünften und letzten Teil der German-Norwegian Energy Dialogue Webinar Series 2020 diskutiert.

„Das technische Potenzial von Offshore-Windenergie entspricht dem Achtzehnfachen des weltweiten Strombedarfs“, berichtete John Olav Tande in seinen Stichworten unter Verweis auf die Studie der Internationalen Energieagentur aus dem letzten Jahr. Als leitender Forscher von SINTEF Energy Research ist Tande unter anderen auch für ein Unterprogramm im Bereich Offshore-Wind bei der European Energy Research Alliance (EERA) verantwortlich.

Mit einer geschätzten Leistung von 412 Gigawatt liegt das größte Potenzial laut einem Bericht von BVG Associates im Auftrag von WindEurope in der Nordsee.

„Das ist ganz offensichtlich erheblich mehr als die rund 15 Gigawatt, die wir derzeit haben. Aber wenn sich die Entwicklung der vergangenen Jahre mit derselben Geschwindigkeit fortsetzt, ist das weiterhin realistisch. Hieraus ergeben sich in der Nordsee viele gemeinsame Geschäftsmöglichkeiten für Norwegen und Deutschland.“

Die Notwendigkeit eines Nordseenetzes

„Wenn man Offshore-Windenergie ausbauen möchte, muss man auch die Offshore-Energieübertragung weiterentwickeln. Viele sind davon überzeugt, dass die Offshore-Energieübertragung sich künftig nicht nur auf die Übertragung von Strom beschränken, sondern auch den Transport reiner Energieträger wie Wasserstoff einschließen wird“, so Tande.

Als beispielhafte Lösung führte er die Vision des Konsortiums North Sea Wind Power Hub an, dem unter anderen Energinet und Tennet angehören. Dieses Offshore-Energienetz soll die Übertragung von Wasserstoff und Strom zwischen europäischen Ländern übernehmen, wobei Offshore-Hubs die Kabel verbinden sollen.

Kürzlich hat der norwegische Staat zwei Gebiete in der Nordsee für Konzessionen freigegeben, Utsira Nord und Sørlige Nordsjø II. Letzteres eignet sich sowohl für schwimmende als auch am Meeresgrund verankerte Anlagen.

„Der Windpark, der hier mit der Zeit entwickelt wird, wird vermutlich nicht nur mit dem norwegischen Festland, sondern auch mit Ölfeldern und Nachbarländern wie Deutschland verbunden sein. Dies kann den Ausgangspunkt für den Ausbau eines Offshore-Stromnetzes bilden.“

Projekte in großem Maßstab zur Senkung der Kosten

„An den besten Standorten können am Meeresgrund verankerte Anlagen inzwischen ohne Subventionen verwirklicht werden, schwimmende sind dagegen immer noch zu teuer. Wenn schwimmende Windenergieparks tatsächlich gebaut und eine Branche mit einer Lieferkette etabliert werden, verringern sich die Kosten erheblich“, berichtete Tande.

Holger Matthiesen, Head of Development, Offshore Wind Continental Europe, Scandinavia and Baltics bei RWE Renewables International GmbH, bestätigte diese Auffassung.

„Das Erfolgsrezept lautet Projekte, Projekte und nochmals Projekte – nur so entwickelt sich die Technologie, und hierdurch verringern sich die Kosten.“

RWE ist die Betreiberin des Windenergieparks Arkona in der Ostsee mit Equinor als Miteigentümer. Mehrere Teilnehmer der Diskussionsrunde hoben dieses Projekt als Paradebeispiel einer erfolgreichen deutsch-norwegische Zusammenarbeit hervor.

„Technologie und Prozesse, die zusammenpassen, spielen eine Rolle, ich glaube aber, dass es auch um interkulturelle Ähnlichkeiten und Vertrauen geht. Bei Infrastrukturprojekten in großem Maßstab sollte auch die Herangehensweise ans Risikomanagement und an die Projektleitung ähnlich sein“, erklärte Matthiesen, als er von seinen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit berichtete.

Deutsch-norwegische Zusammenarbeit

Aibel, ein Offshore-Komplettanbieter und Konzeptentwickler, hat sich seinen ersten Vertrag in Deutschland bereits im Jahr 2011 gesichert. Lars Henrik Hosøy leitet die Windenergie-Initiative und berichtete kurz über die Erfahrungen des Unternehmens aus der Anfangsphase der Branche.

„Anfangs bestand der Bedarf, Regelwerke und Normen für Offshore-Windprojekte weiterzuentwickeln. Deswegen haben wir mit anderen Akteuren an einigen Projektgruppen teilgenommen.“

Hosøy zufolge profitiert Aibel von diesem Prozess in seinen laufenden Projekten. Letztes Jahr konnte das Unternehmen gemeinsam mit Keppel FELS einen großen Vertrag im Rahmen von Tennets Dolwin 5-Projekt gewinnen, der die Lieferung einer der HVDC-Plattformen auf dem deutschen Sockel mit zugehörigen Umspannwerken an Land betrifft.

Jan Rispens, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Renewable Energy Hamburg Cluster Agency, berichtete, dass der Cluster sich für seine 200 Mitglieder stark für Internationalisierung und Matchmaking einsetze.

„In den letzten Jahren haben wir viel Kontakt mit norwegischen Unternehmen gehabt. Mehrere von den Firmen, die jetzt auf dem deutschen Markt aktiv sind, sind ein Teil unseres Netzwerkes.“

Rispens hat beobachtet, dass sich die Mitglieder in den letzten Jahren der Offshore-Windenergie zugewendet haben. Auf die Frage, auf welche Weise seiner Meinung nach deutsche Unternehmen im Bereich schwimmende Offshore-Windenergieanlagen beitragen könnten, nannte er den Kompetenztransfer.

„Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir das Rad bei schwimmenden Windparks nicht noch einmal erfinden, sondern stattdessen bei Technologie, Betrieb, Wartung und Digitalisierung auf die Erfahrung zurückgreifen, die wir bei am Meeresgrund verankerten Windenergieanlagen gesammelt haben.“

Norwep ist ein Teil des norwegischen Förderungssystems für Export und fungiert als Katalysator zwischen der norwegischen Energiebranche und internationalen Akteuren.

„Offshore-Windenergie eignet sich hervorragend als Feld für eine norwegisch-deutsche Zusammenarbeit. Ich glaube, dass die gemeinsamen Erfahrungen, die man in Arkona gemacht hat, zu künftigen Kooperationsprojekten führen werden“, erklärte Lars Engelmann, Energy Advisor der Organisation.   

Wunsch nach grenzüberschreitenden Forschungsförderungen

Matthiesen vermisst eine Struktur, die die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg fördert.

„Wir beobachten Forschungsaktivitäten in verschiedenen Ländern, die dieselben Forschungsziele verfolgen. Einen europäischen Rahmen zu entwickeln, der die Ergebnisse für die gesamte Branche zugänglich macht, könnte ein fruchtbarerer Ansatz sein.“

Hier nannte Tande die EERA, in deren Rahmen 50 Organisationen aus Europa mit diesem Ziel zusammenarbeiten.

„Aber das ist leichter gesagt als getan, denn alle haben ihre eigenen Interessen. Wenn ein Land oder ein Unternehmen eine Lösung entwickelt, möchte man gerne den Wettbewerbsvorteil behalten. Ohne Anreize seitens der EU-Kommission und der europäischen Regierungen ist es schwierig, diese Art von Zusammenarbeit zu verwirklichen.“

„Ich glaube, dass gemeinsame Forschungsprojekte von Norwegen und Deutschland funktionieren würden, wenn es staatliche Systeme gäbe, die dies fördern würden. Ich würde mir eine entsprechende Entwicklung wünschen.“ 

Webinar verpasst? Hier können Sie die Zusammenfassung der letzten Webinare lesen:

27.05.20 Covid-19 Impact on the European Power Sector

05.06.20 European Green Deal and the Covid-19 Recovery Plan

10.06.20 Achieving Net-Zero Emissions in European Industry by 2050

19.08.20 Ramping up CCS in European Industry